Superfoods – Mehr Wissen
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Wie arbeitet die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA?
Werbung mit Slogans zum Gesundheitspotenzial von Lebensmitteln, sogenannte „Health Claims“, ist in der EU streng geregelt: Ein Smoothie-Hersteller, der viel Granatapfelsaft in seine Getränke mixt, möchte zum Beispiel gerne damit werben, dass sein Drink besonders viele Antioxidantien enthält und daher besonders gesund ist.
Doch wenn Hersteller oder Händler mit spezifischen gesundheitsbezogenen Angaben werben wollen, müssen diese Angaben erst durch die Europäische Kommission zugelassen und in eine Liste eingetragen worden sein. Die wissenschaftliche Überprüfung solcher gesundheitsbezogenen Angaben übernimmt nach dem Antrag die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, EFSA. „EFSA“ steht für European Food Safety Authority, Sitz ist im italienischen Parma.
Auch die Bewerbung von angeblich gesunden Superfoods fällt unter diese Verordnung, die als „Health-Claims-Verordnung“ bekannt ist (Europäische Union 2006). Das Verfahren: Hersteller müssen für eine Gesundheitsaussage (englisch: Health Claim) zu einem Lebensmittel oder Produkt detaillierte Dossiers über den wissenschaftlichen Stand einreichen (EFSA 2010). Die EFSA sichtet die Studienlage in drei Schritten:
- Ist das Lebensmittel oder der Lebensmittelinhaltsstoff ausreichend charakterisiert?
- Ist die angebliche Wirkung gesundheitlich vorteilhaft?
- Gibt es eine Ursache-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Verzehr des Lebensmittels oder Inhaltsstoffes und der beanspruchten Wirkung für die Zielgruppe?
Wissenschaftlich abgesichert ist ein Health Claim nur dann, wenn die EFSA alle drei genannten Prüfschritte positiv bewertet (EFSA 2016). Fällt einer der Aspekte negativ aus, ist die behauptete Wirkung für die EFSA nicht etabliert und der Hersteller darf nicht damit werben. Das Verfahren stellt sicher, dass gesundheitsbezogene Werbung auf Lebensmitteln durch Studien belegt und Verbraucher vor falschen Behauptungen geschützt werden.
Neben gesundheitsbezogenen Angaben entwickelt die EFSA auch Nährwertprofile sowie Material zu physiologischen Wirkungen bei Lebensmitteln und Risiken. Dabei geht es um:
- Lebensmittel für besondere Gruppen (z. B. Säuglingsanfangsnahrung)
- Allergisches Potenzial von Lebensmitteln
- Nährstoffreferenzwerte
- Sicherheit von neuartigen Lebensmitteln auf dem EU-Markt, etwa exotische Beeren, Samen oder Pflanzen aus den Tropen, oder neuartige Rezepte aus bisher wenig genutzten Pflanzenteilen, Pilzen und Algen
Der fiktive Smoothie-Hersteller darf übrigens seinen Granatapfelsaft nicht als besonders gesund anpreisen: Die EFSA hat festgestellt, dass der angebliche antioxidative und gesundheitsfördernde Effekt von Granatäpfeln nicht bewiesen ist. Auch ist grundsätzlich nicht klar, ob antioxidative Stoffe überhaupt die Gesundheit fördern. Ebenfalls haltlos ist laut EFSA die Behauptung, Granatäpfel hätten wegen ihrer antioxidativen Wirkung zusätzlich Anti-Aging-Effekte (EFSA 2010). Die Liste aller nährwert- und gesundheitsbezogenen Aussagen ist öffentlich einsehbar (Europäische Kommission 2023).
Zugelassene „Health Claims“ für Hafer
Hafer ist reich an Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralstoffen. Darüber hinaus kann er zur Senkung des Cholesterinspiegels beitragen, den Blutzuckerspiegel stabilisieren und die Verdauung fördern. Diese Eigenschaften wurden in mehreren Studien nachgewiesen, daher dürfen Haferprodukte mit gesundheitsbezogenen Aussagen bzw. „Health Claims“ beworben werden (Europäische Union 2012). Die Health Claims dürfen aber nur verwendet werden, wenn darüber hinaus auch informiert wird, welche Mengen verzehrt werden müssen, um eine Wirkung zu erzielen.
Zugelassene „Health Claims“ für Hafer: | Darf nur für Lebensmittel verwendet werden, die … | Verbraucher sind darüber zu unterrichten, dass … |
„Beta-Glucane tragen zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei.“ | … mindestens 1 g Beta-Glucane aus Hafer, Haferkleie, Gerste oder Gerstenkleie bzw. aus Gemischen dieser Getreide je angegebene Portion enthalten. | … sich die positive Wirkung bei einer täglichen Aufnahme von 3 g Beta-Glucanen aus Hafer, Haferkleie, Gerste oder Gerstenkleie bzw. aus Gemischen dieser Getreide einstellt. |
„Die Aufnahme von Beta-Glucanen aus Hafer oder Gerste als Bestandteil einer Mahlzeit trägt dazu bei, dass der Blutzuckerspiegel nach der Mahlzeit weniger stark ansteigt.“ | … mindestens 4 g Beta-Glucane aus Hafer oder Gerste je 30 Gramm verfügbare Kohlenhydrate in einer angegebenen Portion als Bestandteil der Mahlzeit enthalten. | … sich die positive Wirkung einstellt, wenn Beta-Glucane aus Hafer oder Gerste als Bestandteil der Mahlzeit aufgenommen werden. |
Vorteile und Risiken pflanzlicher Superfoods
Pflanzliche Nahrungsmittel enthalten neben wichtigen Nährstoffen oft auch problematische Inhaltsstoffe. Werden Superfoods als „gesund“ beworben, besteht aber die Gefahr, dass Verbraucher sie in zu großen Mengen konsumieren. Doch hier gilt die Regel: „Die Dosis macht das Gift“ (Feichtinger 2019).
Obst ist reich an Vitaminen, Mineralstoffen und anderen wertvollen Substanzen. Allerdings enthält Obst auch viel Fruchtzucker. Daher lautet die Empfehlung auch, nicht mehr als 1–2 Portionen (200–300 g) pro Tag zu essen. Ein übermäßiger Verzehr von Fruchtzucker kann zu Blähungen und Durchfall führen.
Andere Lebensmittel enthalten „antinutritive“ Inhaltsstoffe: diese können die Aufnahme wichtiger Nährstoffe im Körper beeinträchtigen. Kohlgemüse enthält z. B. Thiocyanate, die die Jodaufnahme hemmen und somit die Funktion der Schilddrüse beeinflussen können. Auch in Bohnen, Leinsamen, Hirse und anderen Lebensmitteln finden sich jodhemmende Substanzen (sogenannte Goitrogene).
Einige Lebensmittel wie Leinsamen und Holunderbeeren enthalten Blausäureverbindungen, die bei übermäßigem Verzehr zu Beschwerden führen können. Phytinsäure in Hülsenfrüchten, Getreide, Nüssen und Saaten kann die Aufnahme von Mineralstoffen im menschlichen Körper beeinträchtigen. Dieser Effekt lässt sich aber durch Einweichen oder Keimen verringern.
Superfoods finden sich zudem häufig in hoch verarbeiteten Lebensmitteln wieder wie Müsli-Riegeln mit Açai-Beeren oder Quinoa oder Toast mit Chiasamen. Allerdings wird ein hoch verarbeitetes Lebensmittel nicht wirklich gesünder, nur weil es einen kleinen Anteil exotischer Superfoods enthält (DGEM 2021).
Exotische Superfoods: Zwischen Nachfrage und Nachhaltigkeit
Der Trend zu exotischem Superfood hat in den Anbauländern mitunter negative Auswirkungen auf soziale und wirtschaftliche Verhältnisse. Um nachhaltige Entscheidungen beim Kauf exotischer Superfoods zu treffen, empfiehlt es sich, auf Produkte mit EU-Bio-Logo und vorzugsweise zusätzlichem Fair-Trade-Hinweis zu achten. Eine mögliche Alternative zum Import besteht darin, exotische Früchte auf heimischen Feldern anzubauen, obwohl der bisherige Ertrag die Nachfrage im Inland nur minimal decken kann.
Warum heimische Superfoods die bessere Wahl sind
Ein Pluspunkt einheimischer Superfoods liegt sicherlich darin, dass Exoten häufig mit unerwünschten Fremdstoffen belastet sind (Öko-Test 2016, DGEM 2021). In den Herkunftsländern gelten oft weniger strenge Umweltauflagen und es werden Pestizide eingesetzt, die in der EU nicht zugelassen sind.
Heimische Produkte schonen zudem den Geldbeutel: Beispielsweise kosten 100 Gramm Leinsamen meist nur die Hälfte von importierten Chiasamen. Ein weiterer Vorteil heimischer Superfoods besteht darin, dass sie gründlich untersucht wurden. Im Gegensatz zu vielen exotischen Superfoods gibt es detaillierte Nährwertanalysen, was ihre Beurteilung aus ernährungswissenschaftlicher Sicht erleichtert.
Nachweise
DGEM – Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e.V. (2021): Ernährungsmediziner nehmen Superfoods unter die Lupe: Wie empfehlenswert sind Chia, Goji-Beeren & Co.? Pressemitteilungs-Archiv 08/2021
EFSA – European Food Safety Authority (2010): Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to pomegranate/pomegranate juice and maintenance of normal blood cholesterol concentrations (ID 1162, 1320, 2107, 2167), maintenance of normal erectile function (ID 1163), protection of lipids from oxidative damage (ID 1201, 1319, 2123), “antioxidant and anti-aging properties” (ID 1901), increase in appetite after unintentional weight loss leading to an increase in energy intake (ID 2122) and maintenance of normal blood glucose concentrations (ID 4471) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/2006. EFSA Journal 8(10):1750
EFSA – European Food Safety Authority (2016): General scientific guidance for stakeholders on health claim applications. EFSA Journal 14(1):4367
Europäische Kommission (2023): EU Register of Health Claims
Europäische Union (2012): Verordnung (EU) Nr. 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012, Anhang: Liste der zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben
Europäische Union (2006): Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Document 32006R1924 OJ L 404:9–25
Feichtinger J (2019): Heimisches Superfood: regional und nährstoffreich. Ernährung & Medizin 34(3):147–155
Öko-Test (2016): Chiasamen, Gojibeeren & Co.: 21 Superfoods im Test. Jahrbuch für 2017
Titelbild: fascinadora/stock.adobe.com
Stand: Juni 2023