Mann hält Behälter mit Proteinpulver vor seinen wirklich sehr ausgeprägten Bauchmuskeln
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Proteinpulver im Check: Fakten versus Marketingversprechen

Proteinpulver sind in der Kraftsport- und Abnehmszene allgegenwärtig. Doch wie viel braucht man davon wirklich? Dieser Artikel prüft die Empfehlungen von Herstellern wie ESN und More Nutrition und beleuchtet die wissenschaftliche Basis zur Proteinzufuhr.

Worum geht’s?

Nahrungsergänzungsmittel sind in der Fitness- und Abnehmbranche beliebt. Profiathleten und Menschen, die in der Freizeit Sport treiben, nutzen oft verschiedene Präparate. Doch auf den Klassiker setzen sowohl Erfahrene, Anfängerinnen als auch Abnehmwillige: Proteinpulver.

Ziel ist es, den Muskelaufbau zu unterstützen, der durch Krafttraining angeregt wird. Proteine sind nicht nur für Muskeln wichtig, sondern auch als Strukturproteine, Botenstoffe, Antikörper, Rezeptoren und vieles mehr. Bei Gewichtsreduktion wird oft die unterschiedliche Verstoffwechselung von Proteinen und Kohlenhydraten betont, um eine hohe Proteinzufuhr zu rechtfertigen.

Proteinpulver liefern Aminosäuren, die Bausteine der Eiweißmoleküle, in optimaler Zusammensetzung. 9 der 21 Aminosäuren kann der Körper nicht selbst herstellen. Diese essenziellen Aminosäuren müssen über die Nahrung aufgenommen werden. Die zentrale Frage ist, wie viel Protein ein Erwachsener täglich benötigt, um alle Körperfunktionen zu unterstützen, Muskeln zu erhalten oder aufzubauen, ohne die Nieren zu belasten.

Wie gut sind die Infos der Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln?

ESN, kurz für Elite Sports Nutrition, gilt in der Fitness-Szene als sichere Bank und hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2004 als führender Anbieter etabliert, der bei Profiathleten wie Anfängern aus dem Bodybuilding- und Kraftsport-Bereich gleichermaßen beliebt ist.

More Nutrition, ein wachsender Player, präsentiert sich Lifestyle-orientiert und positioniert seine Produkte als gesündere Snack-Alternativen. Beide bieten Proteinpulver an, darunter „Designer Whey Protein“ (ESN) und „More Protein“ (MN) sowie vegane Varianten.

Wie hoch soll die Proteinzufuhr sein?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt in ihrer „Leitlinie Protein“ 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht (KG) pro Tag für Erwachsene bis 65 Jahre, darüber 1,0 g/kg KG/Tag, um den Bedarf an Aminosäuren zu decken (DGE). Im Kraftsport- und Abnehmumfeld empfehlen Hersteller von Proteinergänzungsprodukten wie ESN 2 g/kg KG/Tag und mehr (ESN).

Studien haben gezeigt, dass eine gesteigerte Proteinzufuhr strukturelle und stoffwechselbezogene Anpassungsprozesse bei Sportlerinnen und Sportlern fördert (Jäger 2017, Cermak 2012). Die International Society of Sports Nutrition und das American College of Sports Medicine empfehlen 1,2–2,0 g/kg KG/Tag, abhängig von Trainingszustand und -ziel (Jäger 2017). Wer Kraft- und Leistungssport betreibt, sollte höhere Werte anstreben, wer Ausdauersport treibt, kommt mit weniger aus. Ein Trainingsumfang von mindestens 5 Stunden pro Woche gilt als untere Grenze, ab der eine Erhöhung der Proteinzufuhr zu empfehlen ist (König 2020).

Damit deckt sich die von Supplement-Anbietern wie ESN (ESN) genannte Tagesdosis weitgehend mit der aktuellen Studienlage und kann gleichzeitig als Mittelwert verschiedener Empfehlungen aus der Forschung und häufiger Richtwerte in der gesamten Fitness-Szene gesehen werden (Taylan/Hutterer 2024).

ESN – Qualität wird großgeschrieben

ESN betont an mehreren Stellen, dass sportliche und körperliche Ziele auch ohne Nahrungsergänzungsmittel erreichbar sind, und dass „Nahrungsergänzungsmittel […] immer nur eine Ergänzung zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung, sowie einem gesunden Lebensstil dar[stellen]“ (ESN). Alle zitierten Studien zu diesen Themen sind unabhängige, seriöse Studien ohne Sponsoring aus der Nahrungsergänzungsmittelindustrie oder Verflechtungen der Autoren mit dieser.

ESN, dessen Zielgruppe vor allem Personen sind, die Kraftsport oder Bodybuilding betreiben, legt großen Wert auf die hohe Qualität der Produkte. So wurde eine Reihe von Produkten von einem unabhängigen Dopingforschungslabor analysiert, um das Vorhandensein unerlaubter Substanzen auszuschließen. Viele ESN-Produkte finden sich daher auf der Kölner Liste®. Diese Produktdatenbank listet Nahrungsergänzungsmittel auf, die Sportlerinnen und Sportler einnehmen können, ohne sich dem Risiko der unwissentlichen Einnahme dopingrelevanter Substanzen auszusetzen.

More Nutrition – der Fokus liegt auf Gewichtsreduktion

Im Vergleich zu den qualitativ guten und umfangreichen Informationen bei ESN, bietet More Nutrition deutlich kürzere und weniger detailreiche Informationen, Quellenangaben fehlen weitgehend. Man stützt sich vielmehr auf „Experten“ (More Nutrition a). More Nutrition tritt unter anderem mit speziellen Diätplänen auf. Das „More Protein Fasting“ (MPF) vereint Intervall-Fasten mit kalorienreduzierter Ernährung und hoher Proteinzufuhr (More Nutrition b).

Dieser Diätansatz wird in den begrenzten Artikeln und Anleitungen dazu nicht wissenschaftlich erklärt und die Gesundheitsversprechen werden nicht durch Quellenangaben belegt. Wissenschaftliche Studien zu Kalorienrestriktion bei hoher Proteinzufuhr fehlen aktuell weitgehend, und auch die Datenlage zum Intervallfasten ist noch immer nicht eindeutig (DAG 2024, Pellegrini et al. 2019). Die von More Nutrition versprochenen Effekte könnten durchaus bestehen, wissenschaftlich fundiert ist diese Annahme jedoch nicht.

More Nutrition richtet sich an ein weibliches Publikum und nutzt Influencer-Marketing, Rezeptideen mit den eigenen Produkten, klassische Werbung und Rabattaktionen. In der Vergangenheit geriet das Unternehmen durch irreführende Werbebotschaften in die Kritik, die durch das Unternehmen und vor allem durch engagierte Influencerinnen und Influencer gezielt verbreitet wurden. Wie foodwatch berichtete, ist Influencer-Marketing problematisch und führt häufig zu Fehlinformationen: „Eine Untersuchung der Lebensmittelüberwachungsbehörde Stuttgart hatte im Jahr 2021 gezeigt, dass 90 % aller Gesundheitswerbeaussagen von Influencer*innen potenziell gegen die europäische Health-Claims-Verordnung verstoßen“ (Foodwatch 2024). Inzwischen scheint sich die Werbestrategie bei More Nutrition gewandelt zu haben. Die Versprechen sind nun zurückhaltender.

Fazit

ESN und More Nutrition unterscheiden sich in Produktpalette, Ästhetik, Werbeauftritt und Zielpublikum. Während bei More Nutrition ein weibliches Zielpublikum mit dem Wunsch abzunehmen im Fokus steht, wendet sich ESN an Fitness- und Kraftsportlerinnen und -sportler.

ESN bietet hochwertige Proteinsupplemente und stützt sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Viele Produkte stehen auf der Kölner Liste®.

More Nutrition liefert werbelastige Informationen ohne ausreichende Belege. Die Aussagen sind daher fragwürdig. Wie ESN verlinkt auch More Nutrition auf allen Produktseiten entsprechende Laborergebnisse aus stichprobenartigen Produkttestungen, die Verunreinigungen ausschließen sollen. Allerdings ist keines der More-Nutrition-Produkte bei der Kölner Liste® registriert.

Wer sind die Macher?

ESN und More Nutrition gehören zu einem gemeinsamen Mutterkonzern, der The Quality Group (North Data). Im Rampenlicht steht vor allem Christian Wolf, der More Nutrition im Jahr 2017 gründete. Im September 2023 stieg er nach Kritik an der Marketing-Strategie aus dem Unternehmen aus, ist jedoch nach wie vor finanzieller Teilhaber und präsentiert sich prominent auf Social Media und Youtube als das Gesicht der Marke.

Seine Motivation für die Unternehmensgründung gab Wolf in der Vergangenheit immer wieder mit persönlichen Erfahrungen (eigener drastischer Gewichtsverlust) an. Ansonsten besitzt er keine relevanten öffentlich einsehbaren Qualifikationen für die Arbeit an oder mit Nahrungsergänzungsmitteln. Im Impressum von More Nutrition steht als Verantwortlicher, genau wie bei ESN, heute André Marcel Rose. Die aktuelle Unternehmensleitung der Quality Group setzt sich aus Heikki Takala (Geschäftsführer), Selim Tansuğ (COO) und Dr. Dr. Florian Drabeck (CFO) zusammen. Alle haben einen Hintergrund in der Privatwirtschaft.

Woher kommt das Geld?

Die Quality Group (TQG) entstand Ende 2020 durch den Zusammenschluss von ESN/Fitmart und More Nutrition. Beide Unternehmen werden weitgehend von einer gemeinsamen Geschäftsführung verwaltet. Nach eigenen Angaben verzeichnete TQG im Jahr 2023 680 Millionen Euro Umsatz und im Jahr zuvor 28,4 Millionen Euro Gewinn (North Data). Der Mutterkonzern beschäftigt Stand Dezember 2024 über 1.200 Mitarbeitende (The Quality Group). Über 80 Prozent der Firmenanteile gehören dem Private-Equity-Giganten CVC (CVC).

Text: Dr. rer. nat. Christine Hutterer


Nachweise

Cermak et al. (2012): Protein supplementation augments the adaptive response of skeletal muscle to resistance-type exercise training: a meta-analysis. Am J Clin Nutr 96(6):1454–64

CVC: CVC Fund VIII to acquire majority stake in The Quality Group (aufgerufen am 02.12.2024)

DAG – Deutsche Adipositas-Gesellschaft e.V. (2024): S3-Leitlinie Adipositas – Prävention und Therapie. Version 5.0 Oktober 2024, S. 100

DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung): Leitlinie Protein (aufgerufen am 29.11.2024)

ESN (Elite Sports Nutrition): ESN Proteinspikes – Proteintiming und optimale Proteinmenge pro Mahlzeit (aufgerufen am 29.11.2024)

Foodwatch (2024): More Nutrition verliert vor Gericht: Influencer-Werbung für Fitness-Produkte unzulässig

Jäger et al. (2017): International Society of Sports Nutrition position stand: protein and exercise. J Int Soc Sports Nutr 14:20

Kölner Liste®: Mehr Sicherheit durch getestete Produkte (aufgerufen am 02.12.2024)

König et al. (2020): Proteinzufuhr im Sport. Position der Arbeitsgruppe Sporternährung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE). Ernährungs Umschau 67(7):132–9

More Nutrition a: Proteine – alles was du zur Deckung deines Eiweißbedarfs wissen musst (aufgerufen am 29.11.2024)

More Nutrition b: More Protein Fasten – einfach und ohne Heißhungerattacken abnehmen (aufgerufen am 02.12.2024)

North Data: The Quality Group GmbH, Elmshorn (aufgerufen am 02.12.2024)

Pellegrini et al. (2019): Effects of time-restricted feeding on body weight and metabolism. A systematic review and meta-analysis. Rev Endocr Metab Disord 21(1):17–33

Taylan Y, Hutterer C (2024): Optimale Proteinmenge für Muskel- und Kraftzuwachs. Dtsch Z Sportmed 2:D8

The Quality Group GmbH: Über uns (aufgerufen am 02.12.2024)

Titelbild: Adobe/Pixel-Shot


Stand: Dezember 2024

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