Planetary Health Diet – gesunde und klimafreundliche Ernährung
Im Interview mit Dr. Martin Kussmann vom Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) geht es um eine nachhaltige Ernährung, die gut für den Planeten und die menschliche Gesundheit ist.
Für die Erzeugung von Lebensmitteln spielen die planetaren Belastungsgrenzen eine zunehmend größere Rolle, da Ressourcen begrenzt sind. Ziel ist es, eine wachsende Weltbevölkerung gesund zu ernähren und dabei den Planeten nicht zu überlasten. Dafür empfiehlt die EAT Lancet-Kommission eine pflanzenbasierte Ernährung, die durch tierische Bestandteile ergänzt werden kann. (Mehr zur Planetary Health Diet)
Zusätzlich müssen globale Verteilungsprobleme bei der Nahrungsmittelproduktion berücksichtigt werden. Eine nachhaltige Ernährung kann in verschiedenen Regionen der Welt unterschiedlich aussehen. Regionale Besonderheiten können Orientierung geben und vor Ort vorhandene Ressourcen sollten genutzt werden.
Das Interview wurde von Matthias Will von der Akademie für Neue Medien (Bildungswerk) e.V. und Helen Regina als Masterstudentin von Food Quality and Safety an der Universität Bayreuth durchgeführt, für den Ernährungsradar produziert und im Mai 2024 veröffentlicht.
Deutsches Transkript
Haben sie einen Ernährungsplan? Falls ja, dann wissen Sie natürlich, wie aufwendig es ist einen solchen zu erstellen und natürlich wissen Sie auch, dass es noch schwieriger ist, diesen dann auch einzuhalten. Einen individuellen Ernährungsplan, ja gut, das können wir uns alle noch ganz gut vorstellen, aber einen Speiseplan für die gesamte Welt, das klingt geradezu verwegen. Genau darüber wollen wir heute sprechen.
Wir, das sind Matthias Will, von der Akademie für Neue Medien und Helen Regina, Masterstudentin an der Universität Bayreuth. Unser heutiges Interview zum Thema Planetary Health Diet findet im Rahmen des Projektes Ernährungsradar statt. Partner sind die Universität Bayreuth, die Akademie für Neue Medien und das Kompetenzzentrum für Ernährung in Kulmbach und Freising. Unser Gesprächspartner ist Dr. Martin Kussmann. Er ist Leiter des Bereichs Ernährungswissen und Innovation am Kompetenzzentrum für Ernährung.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben einen Speiseplan für den Planeten erarbeitet. Was genau muss man sich darunter vorstellen?
Ja, ein Speiseplan für den Planeten das klingt in der Tat sehr ambitioniert. Es ist der erste seiner Art und dieser Speiseplan versucht zu definieren, wie sich die Menschheit von gegenwärtig acht Milliarden, bald 10 Milliarden, gesund und nachhaltig ernähren kann – ohne dass unser Planet überstrapaziert wird. Das heißt, jeder Mensch sollte genügend Energie und Nährstoffe zu sich nehmen können, ohne dass der Planet zu sehr darunter leidet.
Basis dieses Speiseplans ist ein Modell des schwedischen Forschers Johann Rockström. Er hat planetare Belastungsgrenzen definiert. Können Sie uns genau erklären, was er damit meint und vor das allem in einfachen Worten?
Die planetaren Belastungsgrenzen ergeben sich eigentlich schon aus der Begrifflichkeit. Es sind die Grenzen, die Ressourcenverwendung anbelangen auf unserem Planeten, die sich die Erde auf Dauer leisten kann. Wir können das vergleichen mit dem Bruttosozialprodukt eines Landes zum Beispiel. Jedes Land produziert eine Gesamtleistung an Dienstleistungen und Materialien, und die Erde produziert das auch. Sie stellt uns jährlich eine Gesamtheit an Leistungen zur Verfügung. Wenn die Ausgaben höher ausfallen als die Einnahmen, dann verschuldet sich der Staat oder die Erde wird verbraucht. Gegenwärtig verbraucht die Menschheit ungefähr eineinhalb Erdbruttosozialprodukte und man muss, glaube ich, kein Nachhaltigkeitsexperte sein, um zu verstehen, dass das so auf die Dauer nicht geht.
Was sind denn die Kernbotschaften der EAT Lancet-Kommission, die diesen Speiseplan für die Welt konzipiert hat?
Wir haben zurzeit zwei große Nachhaltigkeitsprobleme. Das ist die nachhaltige Erzeugung von Energie und von Nahrung. Das sind die Top-Prioritäten, die wir angehen müssen. Also meiner Ansicht nach ist die wichtigste Kernbotschaft die, dass die Erde kein Kapazitätsproblem hat, sondern die Menschheit hat einen Verbrauchs-, Verteilungs- und Verwertungsproblem. Wir machen zu wenig aus dem, was der Planet hergibt; und wir verschwenden zu viel und wir verteilen schlecht. Das ist der Punkt. Der Planet kann das, aber mit unserem Verhalten ist das nicht kompatibel.
Eine weitere Botschaft ist die, dass die menschliche Gesundheit schlicht nicht von der planetaren Gesundheit abgekoppelt werden kann. Das ist das sogenannte One-Health-Konzept. Es kann auf Dauer nur gesunde Menschen und Tiere geben auf unserem Planeten, wenn der Planet auch gesund ist – leuchtet eigentlich ein.
Und ein Beitrag – vielleicht sogar der wichtigste, effizienteste und auch billigste – zu mehr Nachhaltigkeit ist eine Reduzierung der Lebensmittelverschwendung. Man muss sie sich mal auf der Zunge zergehen lassen, jede dritte Kalorie, die wir produzieren, wird weggeworfen. Jede dritte Kalorie; da können wir alles andere versuchen zu retten, wenn wir das nicht in den Griff kriegen, ein Drittel der Lebensmittel wegzuschmeißen, wird das nichts mit der Nachhaltigkeit. Das ist ganz wichtig.
Und dann wird natürlich sehr viel über tierische und pflanzliche Kost geredet. Wir verbrauchen im Moment zu viel tierisches Eiweiß und wir müssen das herunterfahren. Wir können das zum Teil pflanzlich ersetzen, aber darauf kommen wir später noch.
Es heißt 11 Millionen vorzeitige Todesfälle könnten durch diese Planetary Health Diet vermieden werden pro Jahr. Ist das eine realistische Zahl?
Dazu möchte ich zwei Sachen sagen. Also es ist schon enorm schwierig die Planetary Health Diet wirklich durchzurechnen, das hat die EAT Lancet-Kommission recht erfolgreich geschafft. Jetzt auch noch die Toten und Gesundheitsfolgen zu quantifizieren ist noch schwieriger, ich möchte mich hier schlicht nicht auf die Bewertung dieser Zahl 11 Millionen festlegen. Was aber klar ist, ist Folgendes: Die die planetare Gesundheitsdiät schont nicht nur den Planeten und die Ressourcen, sondern ist auch gesünder für den Menschen im Vergleich zu z.B. übermäßigen Kalorienkonsum und übermäßigen Fleischkonsum. Sie hat also auch gesundheitliche Vorteile und wenn der Planet natürlich länger gesünder bleibt, entstehen weniger Umweltschäden, die Umwelt bleibt intakter, lebenswerter und das hat natürlich wiederum auch starke Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Also der Effekt ist klar: Nachhaltigkeit und gesund – aber auf 11 Millionen möchte mich jetzt nicht festlegen.
Die Empfehlungen der Planetary Health Diet gehen von einer täglichen Aufnahme von 2500 Kilokalorien aus. Kann das für alle Menschen auf der Welt gelten unabhängig von ihrer körperlichen Aktivität und ihrem Energiebedarf?
Die kurze Antwort ist: nein. Aber die längere Antwort ist: es ein sehr guter Richtwert. 2500 Kilokalorien ist eine gute, händelbare Größe. Wir haben es in Deutschland immer sehr gern ganz genau und man kann das natürlich wieder debattieren, ob das 2350 oder 2710 sind. Entscheidend ist, 2500 Kilokalorien ist ein guter Richtwert, mit dem man gut rechnen kann und das ist eine gute Basis. Allerdings hängt natürlich dieser Energiebedarf vom Lebensalter ab, von der Körpergröße, von der physischen Aktivität, von der Konstitution, der Fitness und auch vom Gesundheitszustand. Aber das ist eine gute Zahl.
Zugegeben, das ist eine zugespitzte Frage: Sollten wir uns als Konsequenz nun vor allem vegan ernähren?
Auch hier eine kurze Antwort: nein, meiner Ansicht nach. Eine vegane Ernährung ist nach meiner Meinung eine individuelle Option aber keine globale Notwendigkeit. Dazu Folgendes: wenn man sich rein vegan ernährt, heißt es man nimmt überhaupt keine tierischen Produkte zu sich, also z.B. auch keine Milch und keine Eier. Da muss man schon sehr gut drauf achten, dass man hochwertiges Eiweiß bekommt und auch die Mikronährstoffe bekommt, die sonst aus dem tierischen Quellen kommen. Das ist Thema Nummer eins.
Und zum zweiten bin ich der Überzeugung, dass ein guter Mix aus flexitarischer Diät (ich bin selbst Flexitarier) mit sehr moderatem Fleischkonsum (deutlich reduziert im Vergleich zu heute) und auch eine vegetarische Diät, die zwar kein Fleisch und Fisch beinhaltet aber durchaus Eier und Milch erlaubt, dass dieser Mix einen sehr guten Beitrag zu einer vernünftigen Nachhaltigkeit leisten kann.
Wie kann es denn gelingen den weltweiten Fleischkonsum so zu verringern, dass es nicht zu ökonomischen und sozialen Verwerfungen kommt? Wir wissen ja, die Fleischproduktion ist wichtig gerade zum Beispiel für Länder in Südamerika.
Ja, das ist eine von diesen One-Million-Dollar-Fragen. Zunächst einmal würde ich sagen, es geht hier nicht nur um Fleischkonsum. Das ist ein Thema der nachhaltigen Ernährung, aber bei weitem nicht das einzige. Sie sprechen hier die Herausforderung der globalen Vernetzung an: es kommt nicht nur darauf an, wie viel von was wo verzehrt wird, sondern auch wie viel von was wo produziert wird. Und das ist häufig nicht zur Deckung zu bringen. Wir wissen alle, wenn man den Supermarkt geht, die meisten Lebensmittel oder viele, die dort zu haben sind, kommen nicht aus der Region. Also Produktion und Verzehr liegen nicht unbedingt immer in derselben Region. Das ist schon mal Punkt Nummer eins. Und deswegen kann auch die planetare Gesundheitsdiät nicht als einheitliches Rezept auf dem gesamten Planeten ausgerollt werden. Das ist regional zu unterschiedlich.
Jetzt konkret zu Ihrer Frage: Fleischkonsum runter und ökonomische Verwerfung – ich selbst habe in Neuseeland gelebt. Da ist es z.B. möglich Fleisch in Freilandhaltung zu produzieren, relativ ressourcenarm auch in ausgesprochen guter Qualität und es ist ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor für dieses Land. Argentinien ist ein anderes Beispiel. Also es wäre auch etwas zynisch zu sagen, diese Länder sollten das jetzt nicht mehr tun. Das wäre auch nicht fair. Also wir müssen einen Ausgleich finden zwischen der Produktion von Nahrungsmitteln dort, wo die Ressourcen sinnvoll vorhanden sind und eine Balance zwischen einer Nachfrage des Konsumenten und auch vernünftigen Transportwegen. Das muss ausgeglichen werden.
Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher generell am sinnvollsten für eine nachhaltige Ernährung sensibilisiert werden?
Das ist eine meiner Lieblingsfragen, denn es dreht sich letztendlich um Wertschätzung der Lebensmittel. Und, um das vorwegzunehmen, ein nachhaltigeres und gesünderes Ernährungssystem wird ohne mehr Investitionen der Verbraucherinnen und Verbraucher, in den hochentwickelten Ländern zumindest, nicht zu haben sein. Das ist eine unbequeme Wahrheit, aber es ist eine Wahrheit.
Um mehr ins Detail zu gehen, es geht also um diese Wertschätzung, und ich bin der Ansicht, dass die Ernährung mit Abstand die beste Investition ist, in Gesundheit, Lebensqualität und Genuss. Das wird vielleicht unterschwellig wahrgenommen, aber es wird nicht entsprechend geschätzt. Und aus meiner internationalen Erfahrung und als Heimkehrer nach Deutschland kann ich sagen, ich kenne kaum ein Land, was so hoch entwickelt ist, und wo gleichzeitig das Preis-Leistungsverhältnis im Ernährungsbereich so gut ist. Trotzdem wird hier sehr viel über hohe Lebensmittelpreise gestöhnt – das nur, um das international in ein entsprechendes Verhältnis zu setzen.
Noch ein paar Zahlen: vor 50 Jahren gab die deutsche Bevölkerung z.B. etwa die Hälfte des Budgets aus für Nahrung und Getränke, heute sind es fünf bis zehn Prozent. Wir leben ein bisschen in der Flachbildschirm- und Tiefkühlpizzakultur: wir leisten uns technisch sehr viel, Essen muss billig sein. Das wird auf die Dauer nicht gut gehen.
Und ein wesentlicher Punkt zur Steigerung der Wertschätzung und zur Sensibilisierung der Bevölkerung für Nachhaltigkeit und Gesundheit ist Schulbildung. Ernährung ist von der Schulbildung praktisch abwesend, es ist abhanden gekommen. Da müssen wir meiner Sicht nach als erstes wieder ansetzen.
Welche konkreten Schritte können unternommen werden, um den idealen Speiseplan für die Welt auf regionaler Ebene umzusetzen?
Wieder so eine Millionen-Dollar-Frage. An der sind wir aber hier dran, auch am KErn (Kompetenzzentrum für Ernährung) und an der LfL (Bayerische Landeanstalt für Landwirtschaft). Zunächst einmal haben Sie richtig gesagt, den idealen Speiseplan für die Erde gibt es nicht, wegen der regionalen Unterschiedlichkeiten. Und die Übersetzung und Umsetzung der Planetary Health Diet auf die verschiedenen Regionen der Erde ist mindestens so eine große Herausforderung wie die Planetary Health Diet überhaupt einmal zu erstellen.
Das liegt daran, dass die regionalen Gegebenheiten sehr verschieden sind; was das Klima angeht, die terrestrischen Voraussetzungen, auch kulturelle Rahmenbedingungen, ökonomische Rahmenbedingungen – alles ist verschieden. Ich kann Ihnen vielleicht ein konkretes Beispiel geben, wie wir da heran gehen. Wir versuchen die Planetary Health Diet in die sogenannte Bavarian Health Diet [Bayerische Gesundheitsdiät] umzusetzen. Das heißt: Wie können wir in Bayern unter Wahrung des Genussaspektes – wenn es nicht schmeckt, wird es keiner zu sich nehmen, auch wenn es noch so gesund ist – und unter Wahrung der regionalen Spezialitäten, die wir hier haben und der regionalen Strukturen, die wir landwirtschaftlich z.B. haben, wie können wir es schaffen, viel von der Planetary Health Diet angemessen umzusetzen hier in Bayern, ohne das bestehende System auszuradieren und durch irgendwas Neues zu ersetzen, sondern das bestehende weiter zu entwickeln.
Das tun wir in vielen Pilotprojekten und das einzigartige am KErn und an der LfL ist die Tatsache, dass wir mit allen Akteuren das Ernährungssystems zusammenarbeiten; weil nur integrierte Lösungen letztendlich zum Erfolg führen – von der Landwirtschaft über Verarbeitung, Produktion, Handel, Konsumentinnen und Konsumenten und natürlich ist die Wissenschaft mit dabei. Nur diese integrierten Lösungen führen zum Ziel und diese kleineren Pilotprojekte zeigen dann in Beispielen: so kann es gehen. So kann das Ernährungssystem von morgen besser aussehen.
Die zweite Achse, die wir hier verfolgen, ist natürlich Kommunikation. Wir leben in einem Land von 84 Millionen selbst erklärten Ernährungsexpertinnen und -experten, von denen die meisten wenig Ahnung haben, von dem was auf dem Teller ist. Das ist auch ein internationales Phänomen. Also das Ankämpfen gegen all die Mythen und all die Fake News um die Ernährung ist nicht einfach. Wir bemühen uns, in Internetportalen, in Apps und auch auf Konferenzen und anderen Kommunikationskanälen die Spreu vom Weizen zu trennen, sachlich fundiert aber griffig attraktiv klarzumachen, wo sind die Fakten der Ernährung und wo sind die wichtigen Dinge, die wir tun müssen.
Sie haben sehr stark international geforscht, unter anderem waren Sie wissenschaftlicher Direktor des nationalen Wissenschaftsprogramms für hochwertige Ernährung an der Universität von Auckland in Neuseeland. Wie sehr hilft Ihnen dieser globale Blick bei Ihrer Arbeit?
Viel. Ich hatte ja Deutschland schon verlassen während Doktorarbeit und bin dann aus verschiedenen Gründen 30 Jahre nicht zurückgekehrt. Seit zwei Jahren bin ich wieder in meinem – immer noch – Geburtsland. Ich muss sagen, ich fühle mich ein bisschen wie ein Fremder im eigenen Land, empfinde Deutschland aber nach wie vor objektiv als ein extrem lebenswertes Land. Kleine Anekdote: Wenn mich meine Kolleginnen, Kollegen und Freunde im Ausland gefragt haben: „You are from Germany, tell me about it. [Du bist aus Deutschland, erzähl mir darüber.]“, dann habe ich meistens geantwortet: „Germany is a great country, just the Germans don’t get it! [Deutschland ist ein großartiges Land, nur die Deutschen verstehen es nicht!]“ Das würde ich als Zusammenfassung nennen. Deutschland ist viel besser als sein interner Ruf.
Ich denke das ist wie mit dem Reisen: wenn man im Ausland arbeitet und lebt – noch mehr, als wenn man es nur bereist – das lehrt, das bildet und das öffnet vor allem den Blick, den Blick für andere Lösungsansätze, andere Denkansätze, natürlich auch andere Mentalitäten. Es öffnet vor allen auch den Blick für Relevanz. Was relevant für Deutschland ist, muss nicht unbedingt relevant für Neuseeland oder Feuerland oder Alaska sein. Das ist nicht zwangsläufig der Fall. Man kann letztendlich einfach besser vergleichen und relativieren und das ist eine sehr gesunde Erfahrung.
Das ist mir deswegen so wichtig, weil ich auch als Heimkehrer feststelle, dass wir als Europäer und als Deutsche immer noch gerne meinen zu wissen, was für den Rest der Welt gut und richtig ist. Das ist weder fundiert noch angebracht. Deswegen ist diese Erfahrung sehr gesund. Speziell auf Neuseeland bezogen, wo ich Professor an der Universität war und gleichzeitig Leiter dieses nationalen Innovationsprogramms in der Ernährung, was für Neuseeland, wie schon erwähnt, der wichtigste Wirtschaftszweig ist, das hat mir sehr viel gezeigt, wie exzellente Grundlagenforschung sehr gut umgemünzt werden kann in wirklich praktikable Lösungen. Für mich gibt es auch nicht diesen Widerspruch zwischen: Forschung ist entweder sexy und hatten einen hohen Impact Factor und man kann es toll publizieren oder es ist angewandt und man hat das Geld aber die Journale interessieren sich nicht dafür. Es gibt nicht entweder oder. Wenn die Forschung exzellent ist und relevant, dann wird sie auch angewendet und umgesetzt.
Wenn sie mir einen Tipp geben müssten, wie mein idealer Speiseplan morgen aussehen müsste im Sinne dieses Konzeptes, das wir gerade besprochen haben: Wie müsste der aussehen, so ein idealer Speiseplan für mich?
Auch eine schwierige Frage – ich würde erstmal Ihnen zwei Fragen stellen. Die erste ist: Vertragen Sie irgendetwas nicht gut oder sind allergisch? Das sollte man dann weglassen. Was sind Ihre Vorlieben? Gegen den Genuss anzuessen ist sehr schwierig.
MW: Ich esse gerne Fleisch.
Sie essen gerne Fleisch, okay. Dann würde ich sagen ein bis zwei Fleischportionen in der Woche, das ist sicher ausreichend, mit Präferenz auf weißes Fleisch über rotes Fleisch, also Huhn ist besser als Schwein, was besser als Rind ist, auch von der Nachhaltigkeit her. Vielleicht sollten Sie ein bisschen mehr Fisch essen, aus Aquakultur am besten, dann ist es ein bisschen nachhaltiger. Es wird es schon schwierig sich das alles zu merken. Das ist nicht so einfach.
Außerdem empfehle ich ein ausgewogenes Verhältnis an Eiweiß bzw. Protein und Kohlenhydraten, wie das auch in den Diät-Ratschlägen vorhanden ist. Wichtig ist viel Obst und Gemüse, sodass Sie ihre Vitamine und Mineralstoffe bekommen. Vielleicht die einfachste Antwort ist: Vielfalt. Essen Sie viele verschiedene Dinge über die Woche, das ist eigentlich immer das Beste.
English translation of the transcript
Do you have a diet plan? If so, then, of course, you know how time-consuming it is to draw one up, and, of course, you also know that it is even more difficult to stick to it. An individualised nutrition plan – well, we can all imagine that – but a meal plan for the whole world, that sounds quite audacious. But that is exactly what we want to talk about today.
We, that is Matthias Will, I am from the Akademie für Neue Medien, and Helen Regina, a Master’s student at the University of Bayreuth. Today’s interview on the topic of the Planetary Health Diet is part of the Ernährungsradar project. Our partners are the University of Bayreuth, the Akademie für Neue Medien, and the Kompetenzzentrum für Ernährung in Kulmbach and Freising. Our interview partner is Dr. Martin Kussmann. He is Head of Nutritional Knowledge and Innovation at the Kompetenzzentrum für Ernährung.
Scientists have developed a food plan for the planet. What exactly does that mean?
Yes, a food plan for the planet does indeed sound very ambitious. It is the first of its kind, and this food plan attempts to define how the human population of currently eight billion, soon to be 10 billion, can eat healthily and sustainably without overtaxing our planet. In other words, everyone should be able to consume enough energy and nutrients without the planet suffering too much.
This diet plan is based on a model developed by the Swedish researcher Johann Rockström. He has defined planetary boundaries. Can you explain to us exactly what he means by this and, above all, in simple terms?
The planetary boundaries are actually already reflected in the terminology. They are the limits to the use of resources on our planet that the earth can afford in the long term. We can compare this with the gross national product of a country, for example. Every country produces a total output of services and materials, and the earth produces the same. It provides us with a total output every year. And if the expenditure is higher than the income, then the state goes into debt, or the earth is consumed. At present, humanity consumes around one and a half gross national products, and I do not think you have to be a sustainability expert to realise that this is not possible in the long term.
What are the core messages of the EAT Lancet Commission, which has precisely designed this food plan for the world?
We currently have two major sustainability problems. These are the sustainable production of energy and food. These are the top priorities that we need to tackle. So, in my opinion, the most important core message is that the Earth does not have a capacity problem, but that humanity has a consumption, distribution, and utilisation problem. We make too little of what the planet has to offer, we waste too much, and we distribute it badly. That is the point. The planet can do this, but it is not compatible with our behaviour.
Another message is that human health simply cannot be decoupled from planetary health. This is the so-called One Health concept. In the long term, there can only be healthy people and animals on our planet if the planet is also healthy.
And in my opinion, perhaps even the most important, most efficient, and cheapest contribution to greater sustainability is a reduction in food waste. Just think about it: every third calorie we produce is thrown away. Every third calorie – we can try to save everything else, but if we cannot get to grips with throwing away a third of our food, then sustainability will not work. That is very important.
And then, of course, there is a lot of talk about animal and plant-based food. We consume too much animal protein at the moment, and we need to reduce that. We can replace some of it with plants, but we will come to that later.
It is said that 11 million premature deaths could be avoided each year through this Planetary Health Diet. Is that a realistic figure?
I would like to say two things about that. It is extremely difficult to really calculate the Planetary Health Diet, which the EAT Lancet Commission has done quite successfully. It is even more difficult to quantify the deaths and health consequences; I simply do not want to commit myself here to assessing this figure of 11 million. What is clear, however, is the following: The planetary health diet not only conserves the planet and resources, but is also healthier for humans compared to, for example, excessive calorie consumption and excessive meat consumption. It therefore also has health benefits and if the planet stays healthier for longer, there is less environmental damage, the environment remains more intact, more liveable and this in turn has a strong impact on human health. So, the effect is clear: sustainability and health – but I do not want to commit myself to 11 million.
The recommendations of the Planetary Health Diet are based on a daily intake of 2500 kilocalories. Can this apply to everyone in the world, regardless of their physical activity and energy requirements?
The short answer is: no. But the longer answer is: it is a very good guideline. 2500 kilocalories is a good, manageable figure. We always like to be very precise in Germany, and of course you can debate whether it is 2350 or 2710, but the important thing is that 2500 kilocalories is a good guideline that you can calculate with and that is a good basis. However, this energy requirement naturally depends on age, body size, physical activity, constitution, fitness and state of health. But that is a good figure.
Admittedly, that is a pointed question: should we eat a vegan diet as a consequence?
A short answer here too: no, in my opinion. In my opinion, a vegan diet is an individual option but not a global necessity. Here is the thing: if you eat a purely vegan diet, it means that you do not consume any animal products at all, e.g. no milk and no eggs. You have to make sure that you get high-quality protein and the micronutrients that otherwise come from animal sources. That is the number one issue. And secondly, I am convinced that a good mix of a flexitarian diet – I am a flexitarian myself, with very moderate meat consumption, significantly reduced compared to today – and a vegetarian diet, which does not include meat and fish but does allow eggs and milk, for example, can make a very good contribution to reasonable sustainability.
How can we succeed in reducing global meat consumption without causing economic and social upheaval? We know that meat production is important for countries in South America, for example.
Yes, that is one of those one-million-dollar questions. First of all, I would say that this is not just about meat consumption. It is an issue of sustainable nutrition, but by no means the only one. You are addressing the challenge of global networking here: What it is about is, that it is not just a question of how much of what is consumed where, but also how much of what is produced where. And that often cannot be reconciled.
We all know that when you go to the supermarket, most of the food or many of the products that are available there do not come from the region. So production and consumption are not necessarily always in the same region. That is point number one. And that is why the planetary health diet cannot be rolled out as a standardised recipe across the entire planet. It varies too much from region to region.
Now specifically to your question: meat consumption down and economic rejection – I myself have lived in New Zealand. There, for example, it is possible to produce free-range meat, with relatively few resources and in extremely good quality, and it is a very important economic factor for this country. Argentina is another example. So, it would also be somewhat cynical to say that these countries should no longer do this. That would not be fair either. So, we have to find a balance between producing food where the resources are sensibly available and a balance between consumer demand and sensible transport routes. That has to be equalised.
How can consumers generally be sensitised to sustainable nutrition in the most meaningful way?
That is one of my favourite questions, because ultimately it is about valuing food. And, to start with, a more sustainable and healthier food system will not be possible without more investment from consumers, at least in the highly developed countries. This is an uncomfortable truth, but it is a truth.
To go into more detail, it is about this appreciation, and I am of the opinion that nutrition is by far the best investment in health, quality of life and enjoyment. This may be perceived subliminally, but it is not appreciated accordingly. And from my international experience and as a returnee to Germany, I can say that I hardly know of any other country that is so highly developed and where the price-performance ratio in the food sector is so good. Nevertheless, there is a lot of moaning here about high food prices – just to put this into perspective internationally.
A few more figures: 50 years ago, for example, the German population spent about half of its budget on food and drink, today it is five to ten per cent. We live in a bit of a flat screen and frozen pizza culture: we afford a lot of technology; food has to be cheap. That will not work in the long term. And a key point in increasing appreciation and sensitising the population to sustainability and health is school education. Nutrition is practically absent from school education; it has been lost. In my view, this is the first place we need to start again.
What concrete steps can be taken to implement the ideal meal plan for the world on a regional level?
Another million-dollar question. But we are working on it here, also at the KErn (Kompetenzzentrum für Ernährung) and at the LfL (Bayerische Landeanstalt für Landwirtschaft). First of all, you were right to say that there is no such thing as the ideal diet for the planet because of regional differences. And translating and implementing the Planetary Health Diet for the different regions of the world is at least as big a challenge as creating the Planetary Health Diet in the first place.
This is because the regional conditions are very different in terms of climate, terrestrial conditions, cultural conditions, economic conditions – everything is different. And we – I can perhaps give you a concrete example of how we approach this. We are trying to implement the Planetary Health Diet in the so-called Bavarian Health Diet. That means: how can we in Bavaria, while preserving the enjoyment aspect – if it does not taste good, nobody will eat it, no matter how healthy it is – and while preserving the regional specialities that we have here and the regional structures that we have in agriculture, for example, how can we manage to implement much of the Planetary Health Diet appropriately here in Bavaria, without eradicating the existing system and replacing it with something new, but rather further developing the existing system.
We do this in many pilot projects and the unique thing about the KErn and the LfL is the fact that we work together with all the players in the food system, because only integrated solutions ultimately lead to success – from agriculture to processing, production, trade, consumers and, of course, science. Only these integrated solutions lead to the goal and these smaller pilot projects then show in examples: this is how it can work. This is how the food system of tomorrow can look better.
The second axis we are pursuing here is, of course, communication. We live in a country of 84 million self-declared nutrition experts, most of whom have little idea of the food on their plates. This is also an international phenomenon. So, fighting all the myths and all the fake news about nutrition is not easy. We endeavour to separate the wheat from the chaff on internet portals, in apps and also at conferences and other communication channels, to make it clear in a factual but attractive way where the facts about nutrition are and where the important things are that we need to do.
You have done a lot of international research, including being Scientific Director of the National Science Programme for High-Value Nutrition at the University of Auckland in New Zealand. How much does this global perspective help you in your work?
A lot. I had already left Germany during my doctoral thesis and then, for various reasons, I did not return for 30 years. I have been back in my – still – home country for two years now. I have to say, I feel a bit like a stranger in my own country, but I still objectively consider Germany to be an extremely liveable country. A little anecdote: when my colleagues and friends abroad have asked me: „You are from Germany, tell me about it.“, I usually replied: „Germany is a great country, just the Germans do not get it!“ That is what I would call a summary. Germany is much better than its internal reputation.
I think it is like travelling: when you work and live abroad – even more so than when you just travel there – it teaches, it educates, and above all it opens your eyes to other approaches, other ways of thinking, and of course other mentalities. Above all, it also opens our eyes to relevance. What is relevant for Germany is not necessarily relevant for New Zealand or Tierra del Fuego or Alaska. That is not necessarily the case. In the end, you can simply compare and relativise things better and that is a very healthy experience.
This is so important to me because, even as a returnee, I realise that we Europeans and Germans still like to think we know what is good and right for the rest of the world. This is neither well-founded nor appropriate. That is why this experience is very healthy and especially related to New Zealand, where I was a professor at the university and at the same time head of this National Innovation Programme in Nutrition, which, as already mentioned, is the most important economic sector for New Zealand, which showed me a lot about how excellent basic research can be very well translated into really practicable solutions. For me, there is also no contradiction between: research is either sexy and has a high impact factor and you can publish it well or it is applied, and you have the money, but the journals are interested in it. It is not either or. Research is either sexy and has a high impact factor and you can publish it well or it is applied, and you have the money, but the journals are not interested in it. If the research is excellent and relevant, then it will also be applied and implemented.
If you had to give me a tip on what my ideal meal plan would look like tomorrow in terms of this concept that we have just discussed: What would my ideal meal plan look like?
Another difficult question – I would start by asking you two questions, the first of which is: Is there anything you do not tolerate well? Then you should leave that out. Are you allergic to something? That should be left out. What are your preferences? It is very difficult to eat against pleasure.
MW: I like to eat meat.
You like eating meat, okay. Then I would say one or two portions of meat a week is certainly enough, with a preference for white meat over red meat, so chicken is better than pork, which is better than beef, also in terms of sustainability. Maybe you should eat a bit more fish, preferably from aquaculture, then it is a bit more sustainable. It is getting difficult to remember all this. It is not that easy.
I also recommend a balanced ratio of protein and carbohydrates, as is also given in the dietary advice. It is important to eat plenty of fruit and vegetables so that you get your vitamins and minerals. Perhaps the simplest answer is variety. Eat lots of different things throughout the week, which is always the best thing to do.
Empfohlene Literatur zum Thema
Bundeszentrum für Ernährung (2020): Planetary Health Diet – Strategie für eine gesunde und nach-haltige Ernährung. https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/lagern-kochen-essen-teilen/planetary-health-diet/
EAT-Lancet Commission on Healthy Diets From Sustainable Food Systems (2019): Summary Report of the EAT-Lancet Commission: Healthy Diets From Sustainable Food Systems – Food – Planet – Health
Kaput et al. (2015): Enabling nutrient security and sustainability through systems research. BMC Genes & Nutrition
Kussmann et al. (2023): Bioactive compounds for human and planetary health. Frontiers in Nutrition
Webb et al. (2023): Measurement of diets that are healthy, environmentally sustainable, affordable, and equitable: A scoping review of metrics, findings, and research gaps. Frontiers in Nutrition