Pflanzenkommunikation und Mischkultur als Zukunftschance für die Lebensmittelerzeugung?
Im Interview mit Prof. Dr. Corina Vlot-Schuster von der Universität Bayreuth geht es um Pflanzenkommunikation und die Chancen für unsere Ernährung.
Pflanzen kommunizieren miteinander zum Beispiel über Duftstoffe. Diese werden von anderen Pflanzen als Botenstoffe erkannt und lösen eine Reaktion aus, z. B. eine Immunreaktion. Prof. Vlot-Schuster untersucht, wie sich Nutzpflanzen wie Gerste, Weizen oder Tomaten mithilfe von Botenstoffen vor Infektionen schützen. Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse sollen dann natürliche Pflanzenschutzmittel entwickelt werden. Als Zukunftschance wird diskutiert, ob Grundnahrungsmittel wie Weizen zukünftig theoretisch in Mischkultur statt in Monokultur angebaut werden können, um damit natürlichen Pflanzenschutz zu ermöglichen. Die Umsetzung des Anbaus in Mischkultur ist jedoch schwierig und muss weiter erforscht werden.
Das Interview wurde von Matthias Will von der Akademie für Neue Medien (Bildungswerk) e.V. und Helen Regina als Masterstudentin von Food Quality and Safety an der Universität Bayreuth durchgeführt, für den Ernährungsradar produziert und im Januar 2024 veröffentlicht.
Transkript
Liebes Publikum, können Pflanzen miteinander reden? Und wenn ja, wie machen sie das. Und was hat es mit Lebensmittelerzeugung und Ernährung zu tun? Darüber wollen wir heute reden. Ich bin Helen Regina, Masterstudentin an der Universität Bayreuth.
Und ich bin Matthias Will von der Akademie für Neue Medien. Wir sind zu Gast im Gewürzmuseum im Kulmbacher Mönchshof und unsere Interviewpartnerin ist Frau Professorin Corina Vlot-Schuster. Sie lehrt Pflanzengenetik an der Universität Bayreuth, Nutzpflanzengenetik, um genau zu sein.
Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Pflanzenkommunikation. Können Pflanzen miteinander kommunizieren? Gibt es so etwas wie eine Sprache der Pflanzen?
Pflanzen können tatsächlich miteinander kommunizieren. Klar, Pflanzen können nicht reden, aber Pflanzen haben andere Wege, sich miteinander auszutauschen, und einer dieser Wege sind Duftstoffe. Pflanzen können Duftstoffe an die Luft abgeben, die von anderen benachbarten Pflanzen als Botenstoff erkannt werden und eine Reaktion auslösen, zum Beispiel eine Immunreaktion. Wenn eine Pflanze krank ist, wird sie anfangen, bestimmte Duftstoffe an die Luft abzugeben, die von der Nachbarpflanze als Warnsignal erkannt werden. Diese benachbarte Pflanze bringt dann schon ihre Immunität, ihre Krankheitsabwehr in Bereitschaft, um auf die kommende Krankheit besser reagieren zu können.
Kommunizieren Pflanzen nur innerhalb der gleichen Art oder auch zwischen verschiedenen Arten?
Soweit wir beobachtet haben, ist es tatsächlich auch möglich, dass Pflanzen zwischen verschiedenen Arten kommunizieren können. So gibt es zum Beispiel Kräuter. Wir stehen jetzt im Gewürzmuseum, das passt ganz gut. Viele Kräuter geben schon ohne Krankheit diese Duftstoffe an die Luft ab, die dann von anderen Nutzpflanzen als Abwehrsignal erkannt werden. Zum Beispiel Rosmarin gibt ganz stark diese Abwehrbotenstoffe ab, die dann beispielsweise von einer Tomate als Abwehrsignal erkannt wird.
Und über welche Entfernungen können Pflanzen kommunizieren?
Das ist eine gute Frage, das ist noch nicht abschließend geklärt. Wir haben versucht, in einem Gewächshaus, das war in Zusammenarbeit mit Kollegen am Helmholtz-Zentrum München, herauszufinden, wie die Abstände einen Einfluss nehmen auf diese Kommunikation. Dann haben wir ein Bäumchen genommen, ein Pappelbäumchen, das bestimmte Abwehrbotenstoffe an die Luft abgibt, und eine andere Pflanze daneben gestellt, um auf dieses Signal zu reagieren. Und wir konnten bis 20 cm gehen und haben immer noch das Signal erkennen können. Ab 50 cm, also einen halben Meter, haben wir keine erhöhte Abwehrresponse in der Empfängerpflanze mehr feststellen können.
Die Frankenpost hat jüngst geschrieben, sie seien auf der Suche nach der Superpflanze. Das klingt sehr spannend, erklären sie uns doch einmal genau, was erforschen Sie denn da konkret?
Also Superpflanze ist nett gemeint, aber wir machen selbstverständlich, würde ich sagen, nicht die Superpflanze, sondern untersuchen, wie sich Pflanzen, Nutzpflanzen, insbesondere Gerste, Weizen und Tomaten vor Infektionen schützen. Pflanzen haben, wie wir Menschen auch, eine natürliche Immunabwehr gegen Krankheiten, die nicht aus Antikörpern besteht, sondern aus anderen Stoffen, sogenannten Sekundarmetaboliten. Und diese wollen wir in den Pflanzen finden, um sie dann als Pflanzenschutzmittel anwenden zu können. Also wir suchen metabolische Stoffe, chemische Verbindungen aus den Pflanzen, um damit Pflanzenschutz zu betreiben mit pflanzeneigenen Abwehrmechanismen.
Wo sehen Sie den potenziellen Nutzen Ihrer Forschung?
Der Nutzen der Forschung liegt tatsächlich im Pflanzenschutz. Wir suchen nach Arten und Wegen, den biologischen Pflanzenschutz zu verbessern. Entweder mit diesen pflanzlichen Sekundarmetaboliten, die eben die Pflanze selbst schützen, oder auch durch Verwendung von Mikroorganismen, mit denen wir die Pflanzen behandeln und damit eine gewisse Abwehr auslösen. Oder auch diese Pflanzenkommunikation, die wir anwenden wollen, indem unterschiedliche Pflanzenarten zusammen anbaut werden – auf Englisch sagt man „Intercropping“ – um so die Nutzpflanzen besser schützen zu können.
Viele in Deutschland stehen genetisch modifizierten Pflanzen skeptisch gegenüber. Können Sie das verstehen? Und wie möchten Sie denen die Angst nehmen?
Verstehen kann ich es auf jeden Fall, weil es etwas Fremdes ist, das versteht man vielleicht nicht unbedingt. Und das hat natürlich mit Essen zu tun, etwas, das man in seinen Körper aufnimmt und verdaut. Im Labor nutzen wir Gentechnik momentan, um schneller zum Ziel zu kommen, schneller zu wissen, welche Stoffe die Pflanze freisetzt, wenn eine Immunreaktion stattfindet. Wir suchen also erstmal auf der genetischen Ebene, welche Gene werden aus- oder angeschaltet und können wir eine Funktion von einem Gen voraussagen und sehen, was für Stoffe, Verbindungen gemacht werden für die Immunreaktion?
Man kann auch mithilfe der sogenannten „Genom-Editierung“ Änderungen in der genetischen Information der Pflanzen induzieren. Bei der Genom-Editierung ist es so: Wenn man die DNA betrachtet, das sind Millionen von sehr kleinen Bausteinen. Mit der Genom-Editierung nimmt man in Anführungszeichen „nur“ ein oder zwei von diesen Millionen, Milliarden Bausteinchen heraus aus dem Genom der Pflanze.
Ich denke, es ist wichtig, sich im Klaren zu sein, dass das, was man isst, immer DNA enthält. Wenn wir eine Änderung machen mithilfe dieser Genom-Editierung, wo wir nur ein oder zwei von Millionen von Bausteinchen wegnehmen, haben wir nur diese zwei Bausteinchen weniger, aber die anderen Millionen sind immer noch da. Wir essen immer DNA mit und verdauen das und nutzen sogar die dabei freigesetzten Moleküle für unseren eigenen Zellmetabolismus. Ich denke, das ist wichtig. Damit kann man sich selbst vielleicht auch ein bisschen die Angst nehmen, wenn man weiß, es ist eigentlich etwas ganz Normales, das man isst.
Gleichzeitig denke ich, dass wir auf jeden Fall Forschung brauchen, um die ökologischen Folgen von einer Änderung in einer Pflanze nachvollziehen zu können. Dass wir sicherstellen, dass wenn wir etwas ändern in der Genetik der Pflanze, dass das keine nachteiligen Einflüsse auf die Umwelt hat.
Wichtige Grundnahrungsmittel wie Weizen oder Mais werden weltweit als Monokulturen auf großen Feldern angebaut, damit sie leichter geerntet werden können. Wären nicht Mischkulturen besser? Dann könnten die Pflanzen kommunizieren und sich so zum Beispiel vor Erregern oder Schädlingen schützen.
Ich denke, da haben Sie Recht, das könnte besser sein. Es ist schwer umsetzbar aktuell, weil wir die Flächen auch brauchen, um gewisse Mengen an Nahrungsmitteln herzustellen. Machen wir Mischkultur, dann verringert sich die Fläche, die mit dem Weizen angebaut werden kann. Also wäre es wichtig, Kombinationen zu finden mit einer weiteren Nutzpflanze, die man dann unter Umständen auch ernten kann. Und dann denke ich, dass das auf Dauer vielleicht anwendbar ist, auch im großen Stil. Wir machen es momentan für gartenbauliche Anwendungen, da wird es auch im biologischen Bereich schon sehr viel angewendet. Für Weizen, also große landwirtschaftliche Kulturen, denke ich, sind wir noch weiter davon entfernt, eben wegen der großen Fläche und des Erntebedarfs, der besteht.
Ihr Mann betreibt einen kleinen Biobauernhof. Bio und Gentechnik, widerspricht sich das nicht?
Aus meiner Sicht nicht und ich mag diese Frage ganz gern, weil sie schön anschließt an meine Antwort vorhin zu Gentechnik und wie man damit umgehen könnte. Ich denke, dass diese Genom-Editierung, diese ganz kleine Änderung, strikt genommen vor allem im biologischen Bereich einen sehr großen Fortschritt bedeuten könnte: Weil man mit solchen Änderungen Pflanzenschutz betreiben kann, indem man eine Kultur resistent macht gegen gewisse Krankheiten, die auf Feldern oder in Regionen häufig vorkommen. Und dann kann man diese Pflanzen, die diese minimale Änderung in sich haben, biologisch anbauen, ohne Pestizide, weil sie auf natürliche Weise, wenn auch von uns über die Genom-Editierung dort eingebracht, schon resistent sind. Also wenn wir „biologisch“ definieren als „ohne Pestizide“, „ohne chemische Mittel“, dann wäre das ein Fortschritt, den man im biologischen Bereich aus meiner Sicht gut anwenden könnte.
Und zum Ende unseres Interviews, was bauen Sie in Ihrem Garten an? Pflegen Sie beide den Garten gemeinsam?
Also ich habe jetzt momentan nicht mehr so viel Zeit. Wir haben das auch länger zusammen gemacht. Mein Mann macht es jetzt hauptsächlich allein. Wir haben eine kleine Gärtnerei gehabt, wo wir auch Gemüse angebaut haben. Und hier in der Region haben wir auch vor – wir müssen allerdings unseren Hof noch umziehen – dann Dinkel und Roggen anzubauen und das direkt in den Verkauf zu geben.
Frau Professorin, Vielen Dank für das Interview. Schön, dass sie heute unser Gast gewesen sind.
Sehr gerne.
Empfohlene Literatur zum Thema
Eccleston et al. (2022): New molecules in plant defence against pathogens. Essays Biochem 66(5):683–693
Vlot AC, Rosenkranz M (2022): Volatile compounds—the language of all kingdoms? J Exp Bot 72(3):445–448
Rosenkranz et al. (2021): Volatile terpenes: mediators of plant‐to‐plant communication. Plant J 108(3):617–631
Schmidt T (2023): Mit Genetik zum Erfolg: Auf der Suche nach der Super-Pflanze. Frankenpost