Gemüse in einer Reihe mit spezieller Form, wie die Herzkartoffel oder die Tomate mit Horn, auf einem himmelblauen Hintergrund.

Mythen und Fakten rund um das Thema Lebensmittelverschwendung

Mythos 1: „Gerettete Lebensmittel stellen ein gesundheitliches Risiko dar.“

Das lässt sich so nicht pauschal sagen. Oft sind gerettete Lebensmittel vollkommen sicher für den menschlichen Verzehr. Ausnahmen sind Produkte mit abgelaufenem Verbrauchsdatum oder Anzeichen von Fäulnis, Schimmel und Schädlingsbefall. Als erstes gilt: Sinne einschalten / Auge-Nase-Mund-Check (BZfE 2024).

  • Auge: Sieht das Lebensmittel aus wie immer? Bei Anzeichen von Schimmel, fauligen Stellen und Schädlingen: bitte entsorgen. Flecken und Verfärbungen beispielsweise bei Obst und Gemüse sind häufig ungefährliche Druckstellen oder Reifeerscheinungen, können aber auch auf ein verdorbenes Lebensmittel hinweisen. Im Zweifel hilft eine kurze Internetrecherche; die Verbraucherzentralen dienen hier als verlässliche Quelle.
  • Nase: Riecht das Lebensmittel wie immer? Lebensmittel die ranzig, faulig, vergoren oder unangenehm riechen, sollten nicht mehr verzehrt werden. Auch ein süßlicher oder muffiger Geruch kann auf Verderb hinweisen, wenn dieser untypisch für das Lebensmittel ist.Verdorbene Milch oder Eier sind zum Beispiel leicht am Geruch zu erkennen (Verbraucherzentrale 2023, LAVES).
  • Mund: Schmeckt das Lebensmittel wie immer? Der Geschmackstest identifiziert beispielsweise verdorbene Nüsse oder Milchprodukte schnell. Generell gilt: Wenn das Produkt untypisch schmeckt, ist es ratsam, es zu entsorgen. Sauer und bitter sind besonders auffällige Marker für Verdorbenes (BVL 2020, Verbraucherzentrale 2023).

Bei Schimmel gilt: Gesundheit geht vor! Lebensmittel mit sichtbarem Schimmel sollten grundsätzlich entsorgt werden, da sich Mykotoxine (Giftstoffe) bilden. Eine Ausnahme ist Edelschimmel auf Käsesorten wie Camembert und Gorgonzola (BZfE 2020).

Bei Resten von gekochten Speisen kann das sogenannte „Fried-Rice-Syndrome“ eintreten: bleibt gebratener oder gekochter Reis länger ungekühlt, kann das Bakterium Bacillus cereus entstehen, dessen Toxine Vergiftungen hervorrufen. Die Sporen dieses Bakteriums sind hitzeresistent; es reicht also nicht aus, die Speise erneut zu erhitzen (Leong et al. 2023). Speisereste sollten daher schnell abgekühlt werden, um sie dann in einem verschlossenen Behältnis im Kühlschrank aufzubewahren oder einzufrieren.

Fazit: Nur verdorbene Lebensmittel sind gesundheitsschädigend. Manchmal hilft eine kurze Internetrecherche, ob es sich bei Verfärbungen um natürliche Prozesse oder Anzeichen von Verderb handelt. Reste von gekochten Gerichten luftdicht im Kühlschrank aufbewahren und schnell verbrauchen. Immer gilt: Sinne einschalten.

Mythos 2: „Mindesthaltbarkeitsdatum und Verbrauchsdatum dienen der Verbrauchersicherheit und Lebensmittel sind nach Ablauf sofort zu entsorgen.“

Hier lautet die richtige Antwort: teils, teils. Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) bezieht sich auf den Erhalt von Produkteigenschaften wie Farbe, Geschmack und Nährwert von verpackten Lebensmitteln. Das Verbrauchsdatum ist auf leicht verderblichen Lebensmitteln zu finden und dient der Lebensmittelsicherheit.

Lebensmittel sind bei richtiger Lagerung oft auch nach Ablauf des MHD noch genießbar. Vorverpackte Produkte tragen immer das MHD mit der Angabe: „mindestens haltbar bis …“ Bis zu diesem Datum bleibt das Lebensmittel bei sachgerechter Lagerung in Geschmack, Geruch und Nährwert unverändert. Auch nach Ablauf des MHD darf das Produkt verkauft und verzehrt werden, sofern es noch einwandfrei und korrekt gekennzeichnet ist. Hier empfiehlt sich wieder der Sinnestest aus Mythos 1.

Bei leicht verderblichen Lebensmitteln wie rohem Fleisch, Hackfleisch, rohem Geflügel, Fisch oder vorgeschnittenen Salaten gibt es anstelle des MHD ein Verbrauchsdatum mit der Angabe „zu verbrauchen bis …“ und den Lagerbedingungen. Nach Ablauf dieses Datums sollte das Produkt nicht mehr verzehrt werden, da es unbemerkt verdorben sein kann (BZfE 2020, Verbraucherzentrale 2024).

Fazit: Das Mindesthaltbarkeitsdatum dient als Richtlinie und zur Absicherung von Herstellern und Händlern. Lebensmittel sind nach diesem Datum häufig noch vollständig genießbar. Im Gegensatz dazu ist das Verbrauchsdatum zwingend einzuhalten: Nach Ablauf besteht Gesundheitsgefahr bei Verzehr.

Mythos 3: „Gerettete Lebensmittel sind von minderer Qualität und enthalten weniger Nährstoffe.“

Nicht unbedingt. Frisch geerntetes Obst und Gemüse enthält die meisten Nährstoffe.

Längere und vor allem falsche Lagerung führt durch den Einfluss von Licht, Wärme und Sauerstoff oft zum Abbau von Vitaminen. Vitamin C ist am empfindlichsten, wobei die Geschwindigkeit des Abbaus unter anderem von der jeweiligen Obst- oder Gemüseart sowie der Beschaffenheit der Schale abhängt. So bleibt der Vitamin-C-Gehalt von Äpfeln, Karotten oder Weißkohl auch über einen längeren Zeitraum relativ konstant bzw. hoch, während Spinat innerhalb weniger Tage einen Großteil des Vitamins verliert. Auch die wasserlöslichen B-Vitamine sind anfällig für Verluste. Eine kühle Lagerung kann den Vitaminabbau verlangsamen (Hofmann 2020, Rickman et al. 2007a).

Der Gehalt an Mineralstoffen wird während der Lagerung im Allgemeinen nicht beeinträchtigt, auch Carotinoide (Vorstufe von Vitamin A) bleiben nahezu vollständig erhalten oder können sogar zunehmen (Rickman et al. 2007b).

Wenn eine längere Lagerung notwendig ist, empfiehlt es sich, die Lebensmittel einzufrieren: Kühlen und Tiefkühlen gelten als nährwertschonende Verfahren zur Haltbarmachung im Vergleich zu Trocknen oder Einkochen (Spektrum.de 2001b).

Neben der Lagerung spielt auch die Zubereitungsart eine entscheidende Rolle. Hohe Temperaturen und lange Kochzeiten können dazu führen, dass hitzelabile und wasserlösliche Vitamine zerstört werden. Im Falle der fettlöslichen Vitamine E (alpha-Tocopherole) und A (bzw. deren Vorstufe, den Carotinoiden) kann der Gehalt durch kurze Hitzebehandlung sogar ansteigen, da die Stoffe aus der Zellmatrix freigesetzt werden. Bei länger andauernden hohen Temperaturen ist jedoch auch hier mit Verlusten zu rechnen. Mineralstoffe gelten in der Regel als hitzestabil (Spektrum.de 2001a, Spektrum.de 2001b; Rickman 2007a).

Bei einigen Lebensmitteln können durch längere Lagerung auch positive Veränderungen auftreten: Bei der Lagerung von Brot über wenige Tage erhöht sich der Gehalt an resistenter Stärke. Dabei handelt es sich um einen Ballaststoff, der möglicherweise erhebliche gesundheitliche Vorteile mit sich bringt (Amaral et al. 2016). Ähnliche Effekte zeigen sich bei der Lagerung gekochter Nudeln: Bereits nach vier Stunden steigt der Gehalt an resistenter Stärke signifikant an, gleichzeitig sinkt der geschätzte glykämische Index der gelagerten Nudeln im Vergleich zu frisch gekochten Nudeln deutlich (Tian et al. 2020). Jedoch sollten aus Gründen der Lebensmittelsicherheit gekochte stärkehaltige Produkte wie Nudeln nur kurz bei Raumtemperatur gelagert werden, um eine Kontamination mit Bacillus cereus zu vermeiden (siehe auch Mythos 1).

Bei Tomaten steigt der Lycopingehalt während der Fruchtreife deutlich an, wobei in der letzten Phase der Fruchtreife (von roter zu tiefroter Farbe) der Anstieg am stärksten ist (Opara et al. 2012). Lycopin ist ein Carotinoid mit antioxidativen Eigenschaften und bietet zahlreiche gesundheitliche Vorteile, darunter eine schützende Wirkung auf das Herz-Kreislauf-System und ein geringeres Risiko für die Entstehung einiger Krebsarten (Przybylska 2019).

Fazit: Durch längere Lagerzeit ist mit Verlusten an wasserlöslichen Vitaminen zu rechnen. Bei fettlöslichen Vitaminen und Stärke kann fachgerechte Lagerung sogar eine gesundheitsförderliche Wirkung haben. Für eine längere Lagerung von frischem Obst, Gemüse oder Brot empfiehlt sich Einfrieren, um Vitamine zu erhalten und Lebensmittelverschwendung vorzubeugen.

Mythos 4: „Lebensmittelabfälle entstehen vor allem im Handel.“

Das ist falsch. Der Großteil der Lebensmittelabfälle entsteht in Privathaushalten (59 %). Handel (7 %) und Primärproduktion (2 %) sind die Sektoren mit der geringsten Lebensmittelverschwendung. (Mehr Zahlen, Fakten und mögliche Lösungen finden sich im Forschungsstand zum Thema.)

Im Handel können die Verluste durch bedarfsgerechte Planung relativ gering gehalten werden. Hier bieten technische Entwicklungen immer mehr Unterstützung. Im Privathaushalt sind häufig mangelnde Planung und fehlendes Wissen über die korrekte Lagerung verantwortlich für den Verderb von Lebensmitteln (Statistisches Bundesamt 2022, BMEL 2024).

Fazit: Lebensmittelabfälle entstehen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette. Der Anteil des Handels ist jedoch vergleichsweise gering.

Mythos 5: „Lebensmittelverschwendung ist unvermeidlich.“

Das ist zumindest teilweise richtig. Es gibt wirksame Maßnahmen für alle Sektoren der Lebensmittelwertschöpfungskette; ein Teil der Lebensmittelverluste ist jedoch unvermeidlich (FAO 2019).

In der Außer-Haus-Verpflegung ist die Einführung eines systematischen Monitorings wichtig: Nur durch umfangreiche Erfassung und Analyse von Lebensmittelabfällen werden die Ursachen des Problems erkannt und gezielte Maßnahmen möglich. Wenn die Abfälle beispielsweise vor allem als Tellerreste anfallen, können kleinere Portionsgrößen Lebensmittelabfälle reduzieren helfen. Durch die Messung von Lebensmittelabfällen gehen Akteurinnen und Akteure außerdem häufig bewusster mit Lebensmittelabfällen um (Schmidt et al. 2019).

Auch auf institutioneller Ebene gibt es Strategien: In Schulen und Krankenhäusern reduziert eine bedarfsgerechte Mengenplanung die Lebensmittelabfälle. Lebensmittelhersteller verlängern die Haltbarkeit ihrer Produkte und reduzieren Abfälle durch bessere Lagerhaltung und Verpackungstechniken (Schmidt et al. 2019).

Da die meisten vermeidbaren Abfälle in privaten Haushalten entstehen, liegt hier das größte Potenzial: Verbesserte Lagerung, optimierte Einkaufsplanung und bewusster Konsum kann die Lebensmittelverschwendung erheblich senken (Schmidt et al. 2019). Informations- und Kommunikationskampagnen fördern das Bewusstsein der Bevölkerung für das Thema. Mehr Ideen gibt es beim Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn).

Fazit: Ein Großteil der Lebensmittelabfälle ist vermeidbar. Dazu bedarf es eines systematischen Monitorings und einer umfassenden Analyse der Lebensmittelabfälle auf allen Stufen der Wertschöpfungskette. So können spezifische Maßnahmen direkt an den Ursachen des Problems ansetzen.

Auch zum Anhören: Mythen & Fakten über Lebensmittelverschwendung

Hinweis: Die Audiodatei wurde mithilfe des „Text to Speech & AI Voice“-Generators von ElevenLabs erstellt.

Mehr rund um Lebensmittelverschwendung

Nachweise

Amaral et al. (2016): Resistant starch production in wheat bread: effect of ingredients, baking conditions and storage. Eur Food Res Technol 242:1747–1753

BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2024): Lebensmittelabfälle in Deutschland: Aktuelle Zahlen zur Höhe der Lebensmittelabfälle nach Sektoren

BVL – Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (2020): Wenn die Nuss nicht schmeckt – Gefahr durch Schimmelpilzgifte – Monitoring liefert neue Ergebnisse

BZfE – Bundeszentrum für Ernährung (2020): Lebensmittelverderb erkennen – aufessen oder wegwerfen?

BZfE – Bundeszentrum für Ernährung (2024): MHD – Augen-Nasen-Mund-Check – Infografik des BZfE

FAO – Food and Agriculture Organization of the United Nations (2019): The State of Food and Agriculture 2019: Moving Forward on Food Loss and Waste Reduction

Hofmann L (2020): Frisches Gemüse und Obst auf Vorrat kaufen – So gelingt es! Ernährung im Fokus, Bundeszentrum für Ernährung

LAVES – Niedersächsisches Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit: Tipps rund um das Ei – vom „Ei“nkauf bis zur Zuber„ei“tung 

Leong et al. (2023): Bacillus cereus: A review of “fried rice syndrome” causative agents. Microb Pathog 185:106418

Opara et al. (2012): Effect of Fruit Ripening Stage on Physico-Chemical Properties, Nutritional Composition and Antioxidant Components of Tomato (Lycopersicum esculentum) Cultivars. Food Bioprocess Technol 5:3236–3243

Przybylska S (2019): Lycopene – a bioactive carotenoid offering multiple health benefits: a review. IJFST 55(1):11–32

Rickman et al. (2007a): Review Nutritional comparison of fresh, frozen and canned fruits and vegetables. Part 1. Vitamins C and B and phenolic compounds. J Sci Food Agric 87:930–944

Rickman et al. (2007b): Review Nutritional comparison of fresh, frozen, and canned fruits and vegetables II. Vitamin A and carotenoids, vitamin E, minerals and fiber. J Sci Food Agric 87:1185–1196

Schmidt et al. (2019): Wege zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen – Pathways to reduce food waste (REFOWAS): Maßnahmen, Bewertungsrahmen und Analysewerkzeuge sowie zukunftsfähige Ansätze für einen nachhaltigen Umgang mit Lebensmitteln unter Einbindung sozio-ökologischer Innovationen. Thünen Report 73:1

Spektrum.de (2001a): Vitaminverlust. Lexikon der Ernährung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg

Spektrum.de (2001b): Zubereitungsverluste. Lexikon der Ernährung. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg

Statistisches Bundesamt (2022): Lebensmittelabfälle in Deutschland

Tian et al. (2020): Storage temperature and time affect the enzyme resistance starch and glycemic response of cooked noodles. Food chem 344:128702

Verbraucherzentrale (2024): Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist nicht gleich Verbrauchsdatum

Verbraucherzentrale (2023): Milch: Alles Wichtige zu Haltbarkeit und Lagerung

Titelbild: senatamaka.panthermedia.net


Stand: September 2024

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