Gerald Lackner, Professor für Biochemie der Mikroorganismen, spricht über das Darmmikrobiom
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Das Darmmikrobiom als Garant für Gesundheit und Wohlbefinden?

Das Interview mit Prof. Gerald Lackner von der Universität Bayreuth beleuchtet die Bedeutung des Darmmikrobioms für unsere Gesundheit.

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Das Mikrobiom übernimmt zentrale Funktionen wie den Schutz vor pathogenen Keimen und die Produktion wichtiger Stoffwechselprodukte. Die Ernährung spielt eine wesentliche Rolle und kann die Darmbakterien beeinflussen. Prof. Lackner erklärt, wie eine vielseitige, vornehmlich pflanzenbasierte Ernährung das Mikrobiom stärkt und langfristig positiv auf die Gesundheit wirkt. Zudem werden neue Forschungsansätze diskutiert, etwa individualisierte Therapien mit Pro- und Synbiotika sowie Mikrobiom-Transplantationen. Auch die visionäre Forschung zu bioaktiven Substanzen, die von Mikroben produziert werden, verspricht spannende Möglichkeiten. Grundlegend gilt: Eine bewusste Ernährung und ein ganzheitlicher Ansatz sind essenziell für ein gesundes Mikrobiom und das allgemeine Wohlbefinden.

Das Interview wurde von Matthias Will von der Akademie für Neue Medien (Bildungswerk) e.V. durchgeführt, für den Ernährungsradar produziert und im Dezember 2024 veröffentlicht.



Deutsches Transkript

In unserem Darm ist eine unvorstellbar große Zahl an Mikroorganismen vorhanden. Allein der Dickdarm beherbergt schätzungsweise 32 Billionen Bakterienzellen. Diese Mikroben können einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit und auf unsere Psyche haben. In dieser Ausgabe des Ernährungsradars geht es um den Einfluss der Ernährung auf unsere Darmflora und auf das sogenannte Mikrobiom.

Das Ernährungsradar ist ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Bayreuth und der Akademie für Neue Medien. Ich bin Matthias Will von der Akademie für Neue Medien. Wir sind heute zu Gast am Campus der Universität Bayreuth hier in Kulmbach und unser Gesprächspartner ist Professor Gerald Lackner; er ist Professor für Biochemie der Mikroorganismen.

Professor Lackner, wir alle kennen das, es zwickt, es kneift, es rumort in unserem Bauch. Warum ist der Bauch und natürlich speziell der Darm da dann so wichtig für unser Wohlbefinden bzw. unser Unwohlsein?

Es gibt viele Verbindungen zwischen dem Kopf und dem Bauch. Jeder kennt das, man sagt: „Mir hat etwas auf den Magen geschlagen.“ Auch wenn man aufgeregt ist, kann die Verdauung gestört sein. Diese Verbindung geht aber auch in die andere Richtung: wenn es Probleme in der Verdauung gibt, fühlen wir uns unwohl, es schlägt auf unsere Psyche. Man spricht von der Darm-Hirn-Achse. Da spielen auch die Mikroben in unserem Darm eine große Rolle.

Wir sprechen heute über das sogenannte Darmmikrobiom. Landläufig ist immer von Darmflora die Rede. Was bedeutet der Begriff Mikrobiom konkret?

In erster Näherung ist das Mikrobiom die Darmflora, also die Gesamtheit der Mikroorganismen, die in einem bestimmten Lebensraum vorkommen, z.B. in unserem Darm. Wissenschaftlich spricht man von der Mikrobiota, der Darmmikrobiota, das sind also die Organismen. Das Mikrobiom in seiner Definition greift noch ein bisschen weiter: Es sieht die Mikrobiota als ein aktives und dynamisches Ökosystem, das mit seiner Umwelt interagiert, mit dem Mensch interagiert. Oft zählt man auch auf die Gene und die Stoffwechselprodukte der Mikroben zum Darmmikrobiom. Das ist also ein etwas weiterer Begriff, aber im Prinzip liegt man mit dem bekannten Begriff „Darmflora“ schon ganz gut.

Was ist denn die Funktion dieses Mikrobioms?

Es gibt vielfältige Funktionen. Die wichtigste Funktion ist, dass unser Darm mit schützenden Organismen besiedelt ist. Das heißt, wenn ich diese schützende Darmflora habe, können sich „böse Bakterien“ – also Pathogene – nicht ansiedeln. Diese werden dadurch ferngehalten. Das ist eine wichtige Funktion. Aber die Bakterien spielen auch bei der Verdauung eine Rolle: Ballaststoffe, die wir eigentlich nicht verdauen können, gelangen in den Dickdarm und dort werden sie dann von der Mikrobiota verdaut.

Wichtig sind die Produkte z.B. kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure oder Buttersäure, die bei der Verdauung durch die Mikrobiota entstehen. Diese werden von unseren Darmzellen aufgenommen, das heißt einerseits ernährt sich dadurch der Darm, wir gewinnen noch mehr Energie aus der Nahrung. Das schützt andererseits den Darm, hält ihn intakt. Diese kurzkettigen Fettsäuren, vor allem das Butyrat – die Buttersäure – kann auch Entzündungsprozessen entgegenwirken.

Das ist eine ganz wichtige Funktion, die sich positiv auf die Gesundheit auswirkt. Es gibt erstaunliche Funktionen: der Darm kann z.B. auch Hormone produzieren, hier ist wieder die Darm-Hirn-Achse relevant. Diese Hormone haben verschiedenste Rollen im Körper, auch da kann das Mikrobiom Einfluss nehmen in die Produktion von solchen Hormonen und so z.B. auch unsere Psyche beeinflussen.

Sie haben die Verdauung angesprochen. Welchen Einfluss hat denn unsere Ernährung auf unsere Darmflora

Ja, wie ich schon angesprochen habe, einige Nahrungsbestandteile werden von uns nicht verdaut, z.B. die löslichen Ballaststoffe, die gelangen in den Dickdarm und dienen dort als Nahrung. Wenn diese Ballaststoffe sozusagen auf die „guten Bakterien“ einen Einfluss haben, dann spricht man von präbiotischen Stoffen. Diese füttern gezielt die gute Mikrobiota, erhalten sie und fördern sie. Man kann auch lebende Organismen mit der Nahrung aufnehmen, die möglicherweise das Mikrobiom beeinflussen. Wenn diese zugeführten Mikroorganismen positive Effekte haben, spricht man von Probiotika, das sind z.B. Milchsäurebakterien, die in fermentierten Lebensmitteln wie Joghurt oder Sauerkraut vorkommen. Diese werden mit der Nahrung aufgenommen und können einen gewissen Einfluss auf das Mikrobiom nehmen.

Wie kann man sich denn möglichst darmfreundlich ernähren?

Das ist natürlich ein weites Feld. Ich würde es jetzt auf die Mikrobiota beschränken. Wenn man präbiotische Stoffe, die ich angesprochen habe, als „Futter“ für das gute Mikrobiom zu sich nimmt, dann fördert man dieses gute Mikrobiom. Das wirkt sich langfristig auch positiv auf die Darmgesundheit aus oder auch auf die Gesundheit an sich. Es gibt verschiedene präbiotische Stoffe, die man zu sich nehmen kann.

Wichtig ist z.B. die resistente Stärke. Stärke kennt man z.B. aus Brot, aus Kartoffeln, aus Teigwaren. Resistente Stärke ist Stärke, die wir nicht so gut verdauen können. Der Vorteil dabei ist, dass wir weniger Kalorien zu uns nehmen und gleichzeitig das Mikrobiom sozusagen „füttern.“ Resistente Stärke ist z.B. in Kartoffeln enthalten, die man gekocht hat und dann wieder abkühlen lässt. Dort ist dann besonders viel resistente Stärke drin. Auch Vollkornprodukte wie Vollkornnudeln oder Vollkornbrot enthalten resistente Stärke. Das ist ein wichtiges Präbiotikum.

Pektin ist auch ein Präbiotikum, das findet man in Obst wie z.B. in Äpfeln aber auch in Tomaten. Ein weiterer wichtiger Stoff, der auch so ein bisschen als Nahrungsergänzungsmittel, sagen wir mal, vermarktet wird, ist Inulin. Das ist ein sogenanntes Polysaccharid, die eben nur im Darm von der Mikrobiota verdaut werden kann, von Menschen kann es nicht verdaut werden. Inulin findet man z.B. in Lauch, in Zwiebeln aber auch z.B. in Schwarzwurzeln, die im Herbst Saison haben, oder in Chicorée. Dieser Stoff wirkt sich auch positiv aus.

Stellen Sie uns doch einmal einen idealen Tagesspeiseplan zusammen mit Frühstück, Mittagessen und Abendessen.

Für das Frühstück würde ich sehr stark für Haferflocken plädieren, am besten kernige Haferflocken, die kann man ein bisschen einlegen, da werden sie schön geschmeidig. Man kann ein bisschen Leinsamen dazu tun und z.B. geriebenen Apfel. Aus den Haferflocken hat man resistente Stärke und andere günstige Stoffe wie Glucane. Aus den Äpfeln hat man Pektin. Das wäre ein super präbiotisches Frühstück. Mit ein bisschen Naturjoghurt dazu, hat man auch noch probiotische Milchsäurebakterien. Das fände ich ideal.

Zum Mittagessen: Ich habe bereits gesagt gerade ist Ende Oktober, ich habe im Supermarkt Schwarzwurzel gesehen, das ist der sogenannte Winterspargel. Dieser enthält viel Inulin und man kann ihn z.B. mit Pellkartoffeln essen, dann hätte man die resistente Stärke dabei. Natürlich kann man da auch ein bisschen zerlassene Butter oder Schinken dazu essen. Ich sollte vielleicht sagen, Fleisch sollte man in Maßen genießen. Wenn man zu viel Fleisch isst, kann das z.B. in der Mikrobiota dann auch zu Giftstoffen wie Ammoniak verdaut werden. Das kann also kritisch sein.

Zum Abendessen kann man zum Beispiel Vollkornroggenbrot essen, das wäre sehr gut. Dazu passt vielleicht ein bisschen Tomate und Frischkäse mit Schnittlauch. Ein bisschen was Ungewöhnliches wären eingelegte Artischockenherzen, diese enthalten Inulin. Damit hätte man sozusagen einen mikrobiom-freundlichen Speiseplan. Ich will aber noch dazu sagen, das ist nur ein Beispiel. Wichtig ist generell, dass man sich ballaststoffreich ernährt und dass man nicht übertreibt mit Protein und Fett. Ich habe das angesprochen, das kann zu Giftstoffen führen. Eine sehr einseitige Ernährung mit wenig Ballaststoffen, also wenig Obst, wenig Gemüse für dann eher zu einer schmalen Mikrobiota, die also nicht mehr so breit aufgestellt ist. Eine breit aufgestellte Mikrobiota ist sehr wichtig für die Gesundheit, weil sie stabiler ist, verschiedene Stoffe produziert und verschiedene Prozesse fördert. Das erhält man nur durch eine sehr vielseitige und pflanzliche Ernährung.

Also die Vielfalt macht es, nehmen wir mit.

Ja die Vielfalt macht es, sowohl in der Ernährung als auch in der Mikrobiota, dem, Mikrobiom.

Sind eigentlich Probleme mit dem Mikrobiom grundsätzlich auf die Ernährung zurückzuführen oder gibt es da auch andere Faktoren, die wichtig sind?

Ernährung ist ein Faktor, aber das ist natürlich nicht alles. Jeder kennt z.B. Antibiotikabehandlungen, gerade wenn das Breitbandantibiotika sind, stören diese die Mikrobiota natürlich auch im Darm und töten auch die guten Bakterien sozusagen mit ab, nicht nur die Bösewichte. Das kann dann zu einer Störung führen, man merkt das, man bekommt Verdauungsprobleme, Durchfall, etc. Bei gesunden Menschen regelt sich dann die Mikrobiota danach eigentlich wieder ein, aber sie kann danach eine andere Zusammensetzung haben als vorher, diese kann dann besser oder schlechter sein.

Ich würde vielleicht davor warnen Antibiotika komplett zu verteufeln. Wenn man eine schwere Erkrankung hat, schwere Infektion hat, dann muss man sie nehmen. Aber es ist nicht gut für die Mikrobiota. Natürlich können auch Infektionen die Mikrobiota stören. Jeder kennt Durchfallerkrankungen, die man sich zu zuzieht durch Pathogene, z.B. Salmonellen. Wenn man so eine Infektion hat, ist natürlich auch das Mikrobiom gestört.

Sie hatten vorhin schon einmal angesprochen, es gibt gute und schlechte Mikroorganismen. Vielleicht können Sie da nochmal den Unterschied genau erklären.

Das ist ein sehr weites Feld, aber generell sind die guten Mikroorganismen diejenigen, die keine Probleme verursachen und z.B. diese kurzkettigen Fettsäuren produzieren. Dazu gehört z.B. das Faecalibacterium prausnitzii, das wird oft als Beispiel von guten Bakterien genannt. Man muss aber eine große Vielfalt von verschiedenen guten Bakterien im Darm haben damit das Mikrobiom stabil ist.

Es gibt andere, zwar normale Bestandteile des Mikrobioms, die aber als ungünstig angesehen werden, wenn sie überhandnehmen. Ein Darmbakterium, das vielleicht viele Zuhörerinnen und Zuhörer kennen ist Escherichia coli, auch Kolibakterien genannt. Man findet diese im Abwasser, weil sie in unserem Darm vorkommen. Wenn sie im Badesee sind, dann liegt dort ein Problem vor. Und auch in unserem eigenen Darm liegt eventuell ein Problem vor, wenn wir zu viel von Escherichia coli haben, gerade z.B. in Verbindung mit einer sehr fleisch-lastigen Ernährung. Das sind nämlich diese Bakterien, die dann z.B. das Fleisch verdauen und dabei ungünstige Stoffe produzieren. Diese Bakterien produzieren z.B. auch Lipopolysaccharide, die entzündungsfördernd sind im Körper.

Die guten Bakterien hingegen produzieren die kurzkettigen Fettsäuren und wirken damit Entzündungen eher entgegen. Ein vielleicht spektakuläres Beispiel sind Coprococcus und Eubacterium: da gibt es eine relativ neue Studie, die gezeigt hat, dass Bakterien tatsächlich unsere Psyche beeinflussen können. Diese Bakterien produzieren cannabis-ähnliche Substanzen, die eine cannabis-ähnliche Wirkung haben und über weitere Signale im Hirn dazu führen können unsere Motivation für Sport zu beeinflussen. Das heißt, wenn uns das fehlt, sind wir weniger motiviert uns zu bewegen, Sport zu machen und das wirkt sich bekannterweise auch auf „die Linie“ [ugs. für „das Gewicht“] und auf die Gesundheit aus und so weiter. Also das ist dann sozusagen „Doping durch das Mikrobiom“, wenn man so will.

Könnte man auch sagen, dass sich Darmbakterien konkret auf die Entstehung von Krankheiten auswirken?

Wenn man jetzt mal Infektionen wie Salmonellen außer Acht lässt, sind auch chronische Gesundheitsprobleme sehr stark assoziiert mit der Zusammensetzung des Mikrobioms. Dazu gehören z.B. entzündliche Darmerkrankungen, da ist es plausibel, dass es da vielleicht ein Zusammenhang geben könnte. Aber auch Fettleibigkeit, die Adipositas, scheint oft mit einer bestimmten Zusammensetzung vom Mikrobiom assoziiert zu sein.

Genauere Mechanismen sind teilweise noch Gegenstand der Forschung. Sehr interessant ist: man hat für eine große Mausstudie die Mikrobiota, also den Darminhalt, von fettleibigen Personen und schlanken Personen entnommen. Man hat das sogar mit Zwillingen gemacht, wobei ein Zwilling fettleibig und ein Zwilling schlank war. Dann hat man die menschliche Mikrobiota Mäusen eingepflanzt. Die Mikrobiota der Mäuse wurde vorher durch Antibiotikaeinsatz entfernt.

Es hat sich gezeigt, dass die Mäuse, die das Mikrobiom von fettleibigen Personen eingepflanzt bekommen haben, auch stärker an Gewicht gewonnen haben als die Mäuse, die das Mikrobiom der schlanken Zwillinge bekamen. Das zeigt, dass da wahrscheinlich ein kausaler Zusammenhang ist und die Zusammensetzung des Mikrobioms einen Einfluss auf unser Gewicht nehmen könnte. Aber wie man das jetzt genau therapeutisch ausnutzt und so weiter, das ist dann doch eher noch komplex.

Mehr Infos über Adipositas.

Sie haben vorhin bereits Präbiotika und Probiotika angesprochen. Welche Rolle spielen diese z.B. bei der Heilung von Krankheiten oder welche Rolle können sie spielen?

Ja, sie können tatsächlich eine Rolle spielen. Es gibt verschiedene Studien, die positive Ergebnisse zeigen. Allerdings ist die Studienlage oft komplex. Es gibt auch immer wieder Studien, die zeigen, dass keine Effekte auftreten. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die ganze Sachlage sehr kompliziert ist, denn die Mikrobiota ist sehr individuell. Das ist ein großes Ökosystem, wo es sehr viele verschiedene Arten gibt. Bei jedem Menschen ist das sehr individuell, es wie eine Art Fingerabdruck. Natürlich haben die Bakterien ähnliche Funktionen bei verschiedenen Menschen aber sie können sich auch unterscheiden.

Es kommt darauf an wie die Mikrobiota in jedem einzelnen zusammengesetzt ist, was hat der Mensch für genetische Prädispositionen, was hat er für ein Immunsystem etc. Es kommt natürlich auf die Krankheit selber an und es sind sehr, sehr viele verschiedene Faktoren, auch auf das Präparat kommt es an. So können unter Umständen nicht immer die gleichen Wirkungen erzielt werden.

Generell stellt es sich so dar, dass Probiotika nur dann gut funktionieren, wenn man wirklich eine hohe Dosis an Probiotika aufnimmt. Probiotika sind die lebenden Mikroorganismen, gute Bakterien, die man zu sich nimmt. Diese funktionieren nur, wenn man wirklich eine sehr hohe Dosis in den Kapseln zur Einnahme drin hat und am besten auch eine Mischung – eine gute Kombination, eine abgestimmte Kombination von vielen Probiotika in einem Präparat.

Noch deutlich besser wirken Probiotika, wenn noch Präbiotika in dieser Therapie unterstützend dazu kommen. Man spricht dann von Synbiotika. Der Tenor ist, dass es wahrscheinlich darauf hinauslaufen wird, dass man eine sehr individualisierte Therapie machen muss. Man muss sich anschauen wie ist die Mikrobiota, wie ist der Mensch, welche Krankheit hat er und was für Präparate geben wir.

Also Pauschalrezepte gibt es nicht?

Es gibt kein Pauschalrezept und ich würde auch sagen, dass es pauschal wenig bringt, wenn man einfach auf gut Glück Probiotika nimmt.

Gibt es denn weitere Möglichkeiten, um ein erkranktes Mikrobiom wieder ins Lot zu bekommen?

Ja, es gibt weitere Möglichkeiten. Ich hatte vorhin angesprochen: Spektakulär ist die Transplantation eines Mikrobioms. Ich hatte es bei der Mausstudie erwähnt, wo man ein Mikrobiom transplantiert hat. Das hat man tatsächlich bei einigen Krankheiten erfolgreich angewendet, dass man das Mikrobiom von gesunden Menschen erkrankten Menschen transplantiert hat. Damit kann man die Mikrobiota sozusagen wieder ins Lot bringen.

Das birgt allerdings auch Schwierigkeiten. Zum einen ist die Akzeptanz dieser Therapie zu hinterfragen, man will sich vielleicht nicht unbedingt den Darminhalt von anderen Menschen einsetzen lassen. Dann kommen natürlich auch handfeste Gründe dazu: Man könnte Infektionskrankheiten mit übertragen, die Qualitätskontrolle dieser Produkte ist natürlich schwierig. Man könnte chronische Krankheiten, die ich angesprochen habe, vielleicht auch mit übertragen.

Da ist hier und da noch viel Forschungsbedarf. Und es ist natürlich auch leider so, dass solche Therapien manchmal nur einen kurzzeitigen Effekt bringen, sich die Mikrobiota später doch wieder zum Schlechten hin ändert. Es muss wahrscheinlich wirklich ein holistischer Ansatz gefahren werden, man muss auch auf den Lebensstil, die Ernährung, andere Medikamente und so weiter schauen, um Erfolge zu erzielen.

Stichwort Forschungsarbeit – Sie forschen aktuell an probiotischen Organismen. Was machen Sie konkret und welchen konkreten Nutzen für die Bevölkerung, für die Menschen hat ihre Forschung?

Unsere Forschung ist im Moment noch ein bisschen visionär. Wir arbeiten jetzt nicht so sehr an den schon etablierten probiotischen Therapien, sondern unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich eigentlich damit wie Mikroben – die Bakterien, die auch im Darm vorkommen – bestimmte bioaktive Wirkstoffe produzieren. Das können antibiotische Wirkstoffe sein, die z.B. böse Mikroben ausschalten können. Das können aber auch hormonartige Stoffe, Botenstoffe sein, die unsere Stimmung, unser Wohlbefinden beeinflussen können.

Wir beschäftigen uns damit, wie die Bakterien das machen. Man kann sich das Bakterium als kleine Chemiefabrik vorstellen, wo diverse Töpfe, Maschinen usw. darin zu finden sind auf molekularer Ebene. Wir untersuchen das und können über die Gene auch Mechanismen aus den Bakterien herausnehmen und in andere Bakterien einpflanzen. Unser Ansatz sind probiotische Bakterien, die wir zu uns nehmen können, um kleine positive Effekte auf unsere Gesundheit zu haben. Vielleicht können wir diese Bakterein nehmen als Transport-Vehikel, um im Mikrobiom Wirkstoffe zu produzieren, die entweder das Mikrobiom selber verbessern, die Darmgesundheit verbessern oder auch andere Krankheiten im Körper heilen können.


English translation of the transcript

The large intestine alone harbours an estimated 32 trillion bacterial cells. These microbes can have a huge impact on our health and even on our psyche. Today’s edition of the Ernährungsradar focuses on the influence of nutrition on our intestinal flora and the so-called microbiome.The Ernährungsradar is a joint project of the University of Bayreuth and the Akademie für Neue Medien. I am Matthias Will from the Akademie für Neue Medien. Today we are guests on the campus of the University of Bayreuth here in Kulmbach and our discussion partner is Professor Gerald Lackner, Professor of Biochemistry of Microorganisms.

Professor Lackner, we’re all familiar with it: it tweaks, it pinches, it rumbles in our belly. Why is the belly, and of course the gut in particular, so important for our well-being or our discomfort?

There are many connections between the head and the gut. Everyone knows the saying: ‘Something has upset my stomach.’ Digestion can also be disturbed when you’re excited. But this connection also goes in the other direction: if there are problems with digestion, we feel unwell, and it affects our psyche. This is known as the gut-brain axis. The microbes in our gut also play a major role here.

Today we are talking about the so-called gut microbiome. In common language, we always talk about gut flora. What does the term microbiome actually mean?

In a first approximation, the microbiome is the gut flora, i.e. the entirety of microorganisms that occur in a certain habitat, e.g. in our gut. Scientifically, we speak of the microbiota, the gut microbiota, i.e. the organisms. The microbiome in its definition goes a little further: it sees the microbiota as an active and dynamic ecosystem that interacts with its environment, interacts with humans. The genes and metabolic products of the microbes are also often counted as part of the gut microbiome. This is therefore a somewhat broader term, but in principle the familiar term ‘’gut flora‘’ or „intestinal flora“ is quite accurate.

What is the function of this microbiome?

There are many different functions. The most important function is that our gut is colonised with protective organisms. This means that if I have this protective intestinal flora, ‘bad bacteria’ – i.e. pathogens – cannot colonise. This keeps them away. That is an important function. But the bacteria also play a role in digestion: fibre, which we cannot actually digest, reaches the large intestine, where it is then digested by the microbiota.

Products such as short-chain fatty acids like acetic acid or butyric acid, which are produced by the microbiota during digestion, are important. These are absorbed by our intestinal cells, which means that on the one hand the intestine is nourished and we gain even more energy from the food. On the other hand, this protects the intestine and keeps it intact. These short-chain fatty acids, especially butyrate – butyric acid – can also counteract inflammatory processes.

This is a very important function that has a positive effect on health. There are some amazing functions: the gut can also produce hormones, for example, and here again the gut-brain axis is relevant. These hormones have various roles in the body, and the microbiome can also influence the production of such hormones and thus influence our psyche, for example.

You mentioned digestion. What influence does our diet have on our intestinal flora?

Yes, as I have already mentioned, some food components are not digested by us, e.g. soluble fibre, which reaches the large intestine and is used there as food. If these dietary fibres have an influence on the ‘good bacteria’, so to speak, then we speak of prebiotic substances. These specifically feed the good microbiota, maintain it and promote it.

You can also take in living organisms with your food that may influence the microbiome. If these added microorganisms have positive effects, they are referred to as probiotics, e.g. lactic acid bacteria, which are found in fermented foods such as yoghurt or sauerkraut. These are ingested with food and can have a certain influence on the microbiome.

How can we eat as gut-friendly a diet as possible?

That is of course a broad field. I would now limit it to the microbiota. If you eat prebiotic substances, which I mentioned, as ”feed” for the good microbiome, then you promote this good microbiome. In the long term, this also has a positive effect on intestinal health or on health itself. There are various prebiotic substances that can be consumed.

Resistant starch, for example, is important. Starch is known, for example, from bread, potatoes and pasta. Resistant starch is starch that we cannot digest so well. The advantage of this is that we consume less calories and at the same time ‘feed’ the microbiome, so to speak. Resistant starch is found, for example, in potatoes that have been cooked and then allowed to cool again. They then contain a particularly large amount of resistant starch. Wholemeal products such as wholemeal pasta or wholemeal bread also contain resistant starch. This is an important prebiotic.

Pectin is also a prebiotic found in fruit such as apples, but also in tomatoes. Another important substance that is also marketed as a dietary supplement, let’s say, is inulin. This is a so-called polysaccharide that can only be digested by the microbiota in the intestine; it cannot be digested by humans. Inulin is found, for example, in leeks and onions, but also in black salsify, which is in season in autumn, or in chicory. This substance also has a positive effect.

Why don’t you put together an ideal daily meal plan with breakfast, lunch and dinner?

For breakfast, I would strongly advocate oat flakes, preferably grainy oat flakes, which can be soaked a little to make them nice and tasty. You can add a little linseed and grated apple, for example. The oat flakes provide resistant starch and other favourable substances such as glucans. The apples provide pectin. This would be a great prebiotic breakfast. Add a little natural yoghurt and you also have probiotic lactic acid bacteria. I think that would be ideal.

For lunch: I’ve already said that it’s the end of October and I’ve seen black root in the supermarket, which is the so-called winter asparagus. It contains a large amount of inulin and you can eat it with jacket potatoes, for example, which would give you the resistant starch. Of course, you can also eat it with a little melted butter or ham. I should probably say that meat should be eaten in moderation. If you eat too much meat, for example, it can be digested in the microbiota to form toxins such as ammonia. This can therefore be critical.

For dinner, you can eat wholemeal rye bread, for example, which would be very good. A little tomato and cream cheese with chives might go well with it. Pickled artichoke hearts, which contain inulin, would be a bit unusual. This would give you a microbiome-friendly diet, so to speak. But I would like to add that this is just one example.

It is generally important to eat a diet rich in fibre and not to overdo it with protein and fat. I mentioned that this can lead to toxins. A very one-sided diet with little fibre, i.e. little fruit and few vegetables, tends to lead to a narrow microbiota that is no longer as broadly based. A broad-based microbiota is very important for health because it is more stable, produces different substances and promotes different processes. This can only be achieved through a very varied and plant-based diet.

So, it’s the diversity that does it, let’s go with that.

Yes, it’s the diversity, both in the diet and in the microbiota, the microbiome.

Are problems with the microbiome basically due to diet or are there other factors that are important?

Diet is one factor, but of course that is not everything. Everyone knows, for example, that antibiotic treatments, especially if they are broad-spectrum antibiotics, naturally disturb the microbiota in the gut and also kill off the good bacteria, so to speak, not just the bad guys. This can then lead to a disturbance, you notice it, you get digestive problems, diarrhoea, etc.

In healthy people, the microbiota actually regulates itself again afterwards, but it can then have a different composition than before, which can then be better or worse. I would perhaps warn against demonising antibiotics completely. If you have a serious illness, a serious infection, then you have to take them. But it’s not good for the microbiota. Of course, infections can also disrupt the microbiota. Everyone is familiar with diarrhoea caused by pathogens, e.g. salmonella. If you have such an infection, the microbiome is of course also disturbed.

You mentioned earlier that there are good and bad microorganisms. Perhaps you could explain the difference again.

That’s a very broad field, but in general the good microorganisms are those that don’t cause any problems and produce these short-chain fatty acids, for example. These include Faecalibacterium prausnitzii, for example, which is often cited as an example of good bacteria. However, you have to have a large variety of different good bacteria in the gut for the microbiome to be stable.

There are other components of the microbiome that are normal but are considered unfavourable if they get into excess. One intestinal bacterium that many listeners may be familiar with is Escherichia coli, also known as coli bacteria. They are found in wastewater because they occur in our intestines. If they are in the bathing lake, then there is a problem there. And there may also be a problem in our own intestines if we have too much Escherichia coli, especially in connection with a very meat-heavy diet, for example. These are the bacteria that digest meat, for example, and produce unfavourable substances in the process. These bacteria also produce lipopolysaccharides, for example, which promote inflammation in the body.

The good bacteria, however, produce the short-chain fatty acids and thus tend to counteract inflammation. A perhaps spectacular example is Coprococcus and Eubacterium: there is a relatively new study that has shown that bacteria can actually influence our psyche. These bacteria produce cannabis-like substances that have a cannabis-like effect and can influence our motivation for sport via further signals in the brain. This means that if we lack this, we are less motivated to exercise, to do sport and this is known to have an effect on the weight and on health and so on. So that’s ‘doping through the microbiome’, if you like.

Could we also say that gut bacteria have a specific effect on the development of diseases?

If we disregard infections such as salmonella, chronic health problems are also very strongly associated with the composition of the microbiome. These include, for example, inflammatory intestinal diseases, so it is plausible that there could be a connection. But obesity also often seems to be associated with a certain composition of the microbiome.

More precise mechanisms are still partly the subject of research. It is very interesting that the microbiota, i.e. the intestinal contents, of obese people and slim people were taken for a large mouse study. This was even done with twins, where one twin was obese and one was slim. The human microbiota was then implanted into mice. The microbiota of the mice was previously removed using antibiotics. It was shown that the mice that were implanted with the microbiome of obese people also gained more weight than the mice that were given the microbiome of the slim twins. This shows that there is probably a causal relationship and that the composition of the microbiome could have an influence on our weight. But how exactly this can be utilised therapeutically and so on is still rather complex.

You mentioned prebiotics and probiotics earlier. What role do they play in the treatment of diseases, for example, or what role can they play?

Yes, they can indeed play a role. There are various studies that show positive results. However, the study situation is often complex. There are also always studies that show that there are no effects. This is probably also due to the fact that the whole situation is very complicated, because the microbiota is very individual. It is a large ecosystem with many different species. It is very individual for each person, like a kind of fingerprint.

Of course, the bacteria have similar functions in different people, but they can also differ. It depends on the composition of the microbiota in each individual, what genetic predispositions the person has, what kind of immune system the person has, and so on. Of course, it depends on the disease itself and there are many, many different factors, including the medication. It may therefore not always be possible to achieve the same effects.

In general, probiotics only work well if you really take a high dose of probiotics. Probiotics are the living microorganisms, good bacteria that you ingest. They only work if you really have a very high dose in the capsules and preferably a mixture – a good combination, a harmonised combination of many probiotics in one preparation. Probiotics work even better if prebiotics are added to support this therapy. We then speak of synbiotics. The general consensus is that it will probably come down to a very individualised therapy. You have to look at what the microbiota is like, what the person is like, what illness they have and what preparations we give them.

So, there are no generalised recipes?

There is no one-size-fits-all recipe and I would also say that simply taking probiotics at random is of little use.

Are there any other ways to restore balance to a diseased microbiome?

Yes, there are other possibilities. I mentioned earlier that the transplantation of a microbiome is spectacular. I mentioned it in the mouse study where a microbiome was transplanted. This has actually been used successfully in some diseases, where the microbiome of healthy people has been transplanted into sick people. This allows the microbiota to be brought back into balance, so to speak.

However, this also presents difficulties. The acceptance of this therapy has to be questioned; people may not necessarily want to have the intestinal contents of other people transplanted. Then, of course, there are also tangible reasons: infectious diseases could be transmitted, and quality control of these products is of course difficult. Chronic diseases, which I have already mentioned, could perhaps also be transmitted.

There is still a lot of research needed here and there. And it is also unfortunately the case that such therapies sometimes only have a short-term effect, but the microbiota later changes for the worse. A holistic approach is probably really needed; you also have to look at lifestyle, diet, other medications and so on in order to achieve success.

Keyword research work – you are currently researching probiotic organisms. What are you doing specifically and what concrete benefits does your research have for the population, for people?

Our research is still a bit visionary at the moment. We are not working so much on the already established probiotic therapies, but our research group is actually looking at how microbes – the bacteria that also occur in the gut – produce certain bioactive substances. These can be antibiotic substances that can, for example, eliminate harmful microbes. But these can also be hormone-like substances, messenger substances that can influence our mood, our well-being.

We are looking at how the bacteria do this. You can imagine the bacterium as a small chemical factory, where various pots, machines etc. can be found on a molecular level. We are investigating this and can also use the genes to extract mechanisms from the bacteria and implant them in other bacteria. Our approach is probiotic bacteria that we can ingest to have small positive effects on our health. Perhaps we can use these bacteria as a transport vehicle to produce active substances in the microbiome that can either improve the microbiome itself, improve gut health or cure other diseases in the body.


Empfohlene Literatur zum Thema

Bischoff SC (2019). Ernährung und Darmmikrobiom. Der Gastroenterologe. https://doi.org/10.1007/s11377-019-0342-5

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2021). Kompass Ernährung – Gutes Bauchgefühl – Gesundheit beginnt im Darm – Ausgabe 3/2021. https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/Kompassernaehrung/kompass-ernaehrung-3-2021.html

Bundeszentrum für Ernährung, Müller C (2023). Mikrobiom: Der Darm und seine Bewohner. https://www.bzfe.de/ernaehrung/ernaehrungswissen/gesundheit/mikrobiom/

Dohnalová L (2022). A microbiome-dependent gut–brain pathway regulates motivation for exercise. Nature. https://doi.org/10.1038/s41586-022-05525-z

Ecker M, Haller D (2021). Bedeutung des Mikrobioms für Adipositas und Glukosestoffwechsel. Der Diabetologe. https://doi.org/10.1007/s11428-021-00735-x

Gießelmann K (2019). Probiotika: Nicht immer von Vorteil. Deutsches Ärzteblatt. https://www.aerzteblatt.de/archiv/209335/Probiotika-Nicht-immer-von-Vorteil

Hahne D (2017). Mikrobiom und intestinale Gesundheit: Eine hohe Diversität von Darmbakterien ist günstig. Deutsches Ärzteblatt. https://www.aerzteblatt.de/archiv/186107/Mikrobiom-und-intestinale-Gesundheit-Eine-hohe-Diversitaet-von-Darmbakterien-ist-guenstig

Ridaura VK et al. (2013). Gut Microbiota from Twins Discordant for Obesity Modulate Metabolism in Mice. Science. http://dx.doi.org/10.1126/science.1241214

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