Insekten – Eine Möglichkeit für eine klimafreundliche Ernährung?
Geröstete Maden mit Kräuterdip, mit Rosenöl überzogene Ameisen und Grashüpfer oder doch lieber ein köstliches Waldameisen-Mus zum Nachtisch. Klingt gut, oder? Wahrscheinlich empfinden die meisten von euch bei dem Gedanken an diese Speisevariation einen gewissen Ekel und können sich nicht vorstellen, dass so oder so ähnlich in Zukunft unser Ernährungsalltag aussehen könnte. Warum es aber genauso kommen könnte, erfahrt ihr in diesem Video.
Der Medienbeitrag wurde von Lukas Reiche im Rahmen seines Studiums der Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften (M.Sc.) an der Universität Bayreuth für das Projekt Ernährungsradar erstellt und im April 2024 im Bereich E-Tutor online veröffentlicht. Das Video besteht aus eigenen Film- und Bildaufnahmen. Animiert wurde das Video von Marie Gehrke im Rahmen ihres Studiums der Lebensmittel- und Gesundheitswissenschaften (M.Sc.) an der Universität Bayreuth. Grafiken wurden computergestützt selbst gezeichnet und in das Video eingefügt. Untertitel zum Video sind auf Deutsch und Englisch verfügbar und können über die YouTube-Einstellungen ein- und ausgeblendet werden.
Insekten auf dem Teller
Neben Soja und Hülsenfrüchten gelten auch Insekten als eine Quelle für hochwertige Proteine. In der deutschen Küche sind sie aber, im Gegenzug zu einigen asiatischen Ländern, aktuell noch nicht anzutreffen. Dieser Verzehr, auch als Entomophagie bezeichnet, ist besonders in Teilen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas bereits fester Bestandteil des Ernährungsalltags von ca. 2 Milliarden Menschen. Insekten gehören zur artenreichsten Gruppe aller Lebewesen auf diesem Planeten. In Deutschland machen sie ca. 70 Prozent aller Tierarten aus. Möglicherweise hattet ihr bereits einmal die Gelegenheit, Insekten zu essen, zum Beispiel bei einem Streetfood-Festival. Vorzugsweise werden Käfer verzehrt, darauf folgen Raupen der Schmetterlinge und Falter, Ameisen, Bienen sowie Wespen. Heuschrecken, Wanzen und Zikaden machen im menschlichen Insektenverzehr einen geringeren Anteil aus.
Novel-Food-Verordnung
Aus rechtlicher Betrachtung fallen Insekten und Insektenprodukte in die sogenannte Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union, die voraussetzt, dass sich diese Produkte einer gesundheitlichen Bewertung und einem Zulassungsverfahren unterziehen müssen, bevor sie verkauft werden dürfen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat Anfang 2021 in einer Risikobewertung festgestellt, dass der Mehlwurm bzw. daraus weiterverarbeitete Produkte bedenkenlos verzehrt werden können. Jedoch besteht ein Risiko für besonders empfindliche Menschen, welche bereits Allergien gegenüber Krebstieren oder Hausstaubmilben haben. Bei ihnen könnte der Verzehr von Mehlwürmern allergische Reaktionen auslösen. Der Insektenverzehr besitzt also global betrachtet in einigen Regionen einen starken Einfluss. Darüber hinaus sind Insekten aus gesundheitlicher Perspektive unbedenklich und im ausreichenden Maße verfügbar.
Doch welche weiteren Argumente sprechen für einen Verzehr auch hier zu Lande?
Insekten als Proteinquelle
Insekten zu essen hätte für unseren Körper einige Vorteile, denn sie sind reich an ungesättigten Fettsäuren, Vitaminen, Mineral- und Ballaststoffen. Vor allem aber enthalten sie viel Protein. Zusätzlich bieten Insekten den Vorteil, dass sie sehr leicht verdaulich sind und essenzielle Aminosäuren enthalten. Hierzu ist nochmals das Video zur Proteinqualität aus unserer Reihe zu empfehlen.
Vorteile für die Umwelt
Außerdem hätte es Vorteile für unsere Umwelt, wenn noch mehr Menschen regelmäßig Insekten essen würden. Das liegt unter anderem an dem geringeren erzeugten Treibhausgasemissionen von Insekten im Verhältnis zur konventionellen Viehhaltung. In vergleichender Betrachtung produzieren Schweine 10 bis 100 mal mehr Treibhausgase pro Kilogramm Körpermasse als Mehlwürmer. Außerdem verbraucht eine Insektenzucht deutlich weniger Land als die Nutztierhaltung. Erste Analysen zeigen, dass beispielsweise zur Herstellung von einem Kilogramm Mehlwürmern eine Fläche von etwa 3,6 Quadratmeter pro Jahr benötigt wird. Das entspricht nicht einmal der Größe einer Tischtennisplatte. Da Mehlwürmer im gefriergetrockneten Zustand etwa 45 Gramm Protein pro 100 Gramm enthalten, bedeutet das, dass wir für die Herstellung von einem Kilogramm essbaren Protein aus Mehlwürmern 18 Quadratmeter pro Jahr benötigen würden. Das entspricht gerade einmal der Größe eines Fußballtors. Im Vergleich hierzu wird für die Produktion von Milch bis zu 3,2 mal, bei Hühnerfleisch bis zu 2,8 mal sowie bei Schweinefleisch 3,5 mal und Rindfleisch bis zu 14 mal mehr Land verbraucht als bei Mehlwürmern. Dementsprechend benötigt die Insektenproduktion zwischen 50 Prozent und 90 Prozent weniger Land.
Geringerer Wasserverbrauch
Schließlich verbrauchen Insekten weniger Wasser. Aufgrund des Klimawandels ist zu erwarten, dass in vielen Teilen der Welt künftig Wasserknappheit herrschen wird. Für 70 Prozent des globalen Wasserverbrauchs ist die Landwirtschaft ursächlich. Die Nutztierhaltung verbraucht insgesamt etwas mehr als 8 Prozent. Während für Schweinefleisch pro Kilogramm circa 6.000 Liter Wasser benötigt werden, braucht man zur Aufzucht von einem Kilogramm Mehlwürmern lediglich etwa 4.300 Liter Wasser. Insekten sind also auf drohende Dürren deutlich besser vorbereitet als unsere bisher bekannten Nutztiere.
Fazit
All die genannten Vorteile zeigen: Insekten sind eine mögliche Alternative, um in Zukunft zu einer klimafreundlichen Ernährung beizutragen, Ressourcen zu schonen und dennoch ausreichend Nährwerte zu liefern. Auch die Europäische Union hat das Potenzial von Insekten erkannt und im Jahr 2021 neben den gelben Mehlwürmern auch die Wanderheuschrecke als neuartiges Lebensmittel zugelassen, wodurch diese beispielsweise in getrockneter, gefrorener oder in Pulverform verkauft werden dürfen.
Vielleicht denkt Ihr nun abschließend: „Die Vorteile sind gut und schön, die Produkte spannend und interessant, aber Insekten werde ich auf keinen Fall essen.“ Hierzu möchte ich euch die Angst nehmen, dass bloße, lebende Insekten wohl vorerst nicht auf unseren Tellern landen. Vielmehr werden mehr insektenverarbeitende Produkte im Handel vorzufinden sein, sodass Ihr optisch, Insekten nicht wahrnehmen werdet. Also traut euch und probiert doch mal ein bisschen Zukunft.
Der aktuelle Stand zu Insekten, die in der EU als Novel Food zugelassen sind, findet sich unter folgendem Link: https://germany.representation.ec.europa.eu/insekten-lebensmitteln-die-fakten_de
Mehr Infos zu Insekten und weiteren Alternativen Proteinen haben wir hier zusammengetragen: https://www.ernaehrungsradar.de/alternative-proteine/alternative-proteine-forschungsstand/
Literatur
Belluco et al. (2013): Edible Insects in a Food Safety and Nutritional Perspective: A Critical Review. CRFSFS 12(3):296–313
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (Ed.) (2020): Alternative Lebensmittel zu Fleischwaren und Milcherzeugnissen
BMUV – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (2023): Was sind Insekten? FAQ
EFSA – Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (2015): Insekten als Lebens- und Futtermittel: Was sind die Risiken?
EFSA – Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (2021): Essbare Insekten: die Wissenschaft der Bewertungen neuartiger Lebensmittel
Europäische Kommission (2021): Getrocknete Gelbe Mehlwürmer: Erstes Insekt erhält EU-Zulassung als neuartiges Lebensmittel
FAO – Food and Agriculture Organization of the United Nations (2023): Insecs for food and feed
Haas M (2018): Das herrliche Aroma der Riesenhornissen-Larve. Süddeutsche Zeitung Magazin 1/25/2018
Jetzke et al. (2019): Die Zukunft im Blick: Fleisch der Zukunft. Trendbericht zur Abschätzung der Umweltwirkungen von pflanzlichen Fleischersatzprodukten, essbaren Insekten und In-vitro-Fleisch. Edited by Umweltbundesamt
Klimkeit L (2021): Essbare Insekten: Wanderheuschrecken in der EU als Lebensmittel zugelassen. Die Zeit 11/12/2021
Meixner O, von Pfalzen LM (2018): Die Akzeptanz von Insekten in der Ernährung. Springer Fachmedien
Rempe C (2023): Essbare Insekten. Vom Exoten auf dem Weg zur alltäglichen Kost? Bundeszentrum für Ernährung (BZfE)
Rühl M (2019): Insekten: Ein Beitrag zur nachhaltigen Ernährung. Schweizer Zeitschrift für Ernährungsmedizin 5
Rumpold BA, Schlüter OK (2013): Potential and challenges of insects as an innovative source for food and feed production. IFSET 17:1–11
Sánchez-Muros et al. (2014): Insect meal as renewable source of food for animal feeding: a review. J Clean Prod 65:16–27
Verbraucherzentrale (2021): Insekten essen: Eine Alternative zu herkömmlichem Fleisch?