Fermentation – Mythen & Fakten
Kommt darauf an. Für körperlich gesunde Menschen gelten fermentierte Lebensmittel als sehr bekömmlich und sind Teil einer ausgewogenen Ernährung, die insbesondere die Verdauungsorgane positiv beeinflusst. Für laktoseintolerante Menschen werden Milchprodukte durch Fermentation sogar besser verträglich, weil Laktose abgebaut wird (Derndorfer 2020).
Es gibt aber auch Personengruppen, die Sauerkraut, Kimchi, Joghurt und Co. unter Vorbehalt oder gar nicht konsumieren sollten. Das liegt daran, dass während der Fermentation, Lagerung und Reifung von Lebensmitteln, vor allem bei Wein, Fisch, Wurst und Käse, biogene Amine wie Histamin, Tyramin und Phenylethylamin durch die Stoffwechselaktivität bestimmter Mikroorganismen entstehen können (Barbieri et al. 2019). Im Fermentationsprozess wird die Aminosäure Histidin in Histamin umgewandelt. Personen mit Histaminintoleranz – einer häufigen Form von Nahrungsmittelunverträglichkeit – sollten daher diese Produkte meiden. Der Verzehr von Lebensmitteln mit einem hohen Histamingehalt kann zu unangenehmen Symptomen wie Magenbeschwerden, Kopfschmerzen und allergieähnlichen Reaktionen führen (Vogelreuter 2012).
Dabei kann die individuelle Toleranz und Schwere der Symptome von Person zu Person variieren. Auch bei Menschen, die häufig unter Blähungen und Blähbauch leiden, können fermentierte Lebensmittel zu einer Verschlechterung der Symptome führen, da sie häufig viele kurzfettige Kohlenhydrate (sogenannte FODMAPs) enthalten (Wilhelmi 2020). FODMAPs stehen für fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole, eine Gruppe von Kohlenhydraten, die von der menschlichen Darmflora verstoffwechselt werden können und bei manchen Menschen Verdauungsprobleme verursachen.
Nicht direkt. Mithilfe von Präzisionsfermentation können Proteine, Kohlenhydrate, Fette oder andere Moleküle hergestellt werden, die im Aufbau nicht von ihren ‚natürlichen‘ Vorbildern zu unterscheiden sind und demzufolge auch nicht gentechnisch verändert sind (RethinkX Inc. 2024). Im Produktionsprozess können allerdings gentechnisch modifizierte Mikroorganismen wie Hefen, Algen, Pilze oder Bakterien zum Einsatz kommen (Bioökonomie.de 2022). Diese Verfahren sind etwa seit den 1980er Jahren bekannt und haben durch die Methoden der Genom-Editierung, sogenannte Genscheren wie CRISPR-Cas, zusätzliche Bedeutung gewonnen.
Die Entscheidung, ob gentechnisch veränderte Organismen verwendet werden, hängt von den spezifischen Anforderungen des Produkts, den technologischen Möglichkeiten und den gesetzlichen Bestimmungen ab. Während einige Firmen möglicherweise auf gentechnisch veränderte Mikroorganismen im Fermentationsprozess zurückgreifen, setzen andere auf herkömmliche Züchtungsmethoden oder nicht gentechnisch veränderte Organismen.
Nein. Fermentierte Lebensmittel sind definiert als „Lebensmittel, die durch gezieltes mikrobielles Wachstum und enzymatische Umwandlung von Lebensmittelbestandteilen hergestellt werden“ (Marco et al. 2021). Welche Mikroorganismen dabei zum Einsatz kommen und ob sie bei Verzehr noch aktiv sind oder abgetötet wurden, ist für fermentierte Lebensmittel nicht von Belang.
Probiotika sind enger gefasst: Nach einer gemeinsamen Definition der UN Welternährungs- und Weltgesundheitsorganisationen FAO/ WHO (FAO/WHO 2006), handelt es sich um „lebende Mikroorganismen, die, wenn sie in ausreichender Menge verabreicht werden, dem Wirtsorganismus einen positiven Nutzen bringen“. Dabei ist die Art der beteiligten Mikroorganismen festgelegt, diese werden lebend verzehrt und der gesundheitliche Nutzen muss mit klinischen Studien belegt sein.
In probiotischen Zubereitungen werden weitgehend Lactobazillen, Bifidobakterien, Escherichia, Enterokokken, Bazillen und Streptokokken eingesetzt sowie bestimmte Pilzstämme der Gattung Saccharomyces. Probiotische Zubereitungen enthalten in der Regel Einzel- und Mischkulturen lebender Mikroorganismen, die gesundheitliche Vorteile bieten sollen. Die verwendeten probiotischen Mikroorganismen sollten als allgemein sicher anerkannt sein (generally recognized as safe; GRAS) (FAO/WHO 2006; ISAPP 2023) und unbedenklich für den menschlichen Verzehr.
Man kann zusammenfassend sagen: Alle probiotischen Lebensmittel haben einen Fermentationsprozess durchlaufen, also eine stoffliche Veränderung durch Mikroorganismen. Jedoch ist nur ein kleiner Anteil der fermentierten Produkte probiotisch, da einige Herstellungsprozesse die probiotischen Mikroorganismen abtöten können. Um sicherzustellen, dass ein fermentiertes Lebensmittel probiotisch ist, sollte auf der Produktverpackung aufgeführt sein, dass es lebende probiotische Kulturen enthält. Dies zeigt an, dass die Mikroorganismen im Produkt noch aktiv und lebensfähig sind.
Nein. Sauerkraut, saure Gurken, Sauermilch … fermentierte Lebensmittel werden zunächst vor allem mit der Geschmacksrichtung „sauer“ in Verbindung gebracht. Das ist kein Zufall: Bei der klassischen Milchsäuregärung sorgt die Absenkung des pH-Werts für eine saure Umgebung. Das behindert nicht nur unerwünschte Mikroorganismen in ihrer Entwicklung und macht Kohl, Gurken, Milch und Co. länger haltbar, sondern prägt auch den Geschmack (BZfE 2020).
Gleichzeitig greift die Beschreibung „sauer“ zu kurz. Mit dem nötigen Wissen stellt Fermentation eine große Bandbreite an Aromen zur Verfügung, die gezielt eingesetzt werden kann, um gewünschte Geschmackserlebnisse zu erzielen. Der Geschmack hängt von verschiedenen Faktoren ab. Abhängig vom Ausgangsprodukt, der Auswahl der Mikroorganismen, der Temperatur und der Fermentationsdauer kann das Endprodukt beeinflusst werden. So werden für ober- und untergärige Biere unterschiedliche Hefestämme eingesetzt und die Temperatur deren Bedürfnissen angepasst (MRI 2018). Bei der Fermentation von Milchalternativen auf pflanzlicher Basis können unterschiedliche Stämme an Mikroorganismen den Eigengeschmack von Hafer- oder Bohnenmilch minimieren und Butter- oder Käsearoma entwickeln (Tangyu et al. 2023). Während viele fermentierte Produkte, wie Sauerkraut oder Kimchi, einen sauren Geschmack aufweisen, können andere fermentierte Lebensmittel, wie beispielsweise Joghurt oder Kefir, einen eher milden oder sogar süßlichen Geschmack haben.
Nein. Es klingt banaler als es ist: Fermentieren und Einlegen ist nicht dasselbe. Beides sind Techniken, die Gemüse haltbar(er) machen, sie haben ‚irgendwie‘ mit Mikroorganismen zu tun und Lebensmittel liegen in einer Flüssigkeit – vor dem Gurkenregal im Supermarkt sehen die Produkte auf den ersten Blick gleich aus.
Der Unterschied ist: Beim Einlegen kommt eine konservierende Flüssigkeit wie Essig, Öl oder Alkohol, möglicherweise in Kombination mit Salz oder Zucker, zum Einsatz, um den Verderb von Speisen zu verlangsamen (BZfE 2020a). Die Flüssigkeitsumgebung, der niedrige pH-Wert der Flüssigkeit oder das Vorhandensein von Salz oder Zucker erschwert den Mikroorganismen in und auf dem Produkt das Überleben und wirkt damit konservierend. Allerdings reicht das Einlegen allein in Essig oft nicht aus: die Konzentration, die alle schädlichen Mikroorganismen zuverlässig abtötet, würde zu sauer schmecken. Daher müssen weitere Verfahren – beispielsweise Einkochen – kombiniert werden.
Im Gegensatz dazu werden beim Fermentieren Lebensmittel durch die Aktivität von Bakterien, Hefen oder Schimmelpilzen unter Sauerstoffabschluss chemisch verändert (BZfE 2020b). Bei der milchsauren Fermentation bzw. Gärung wird das Gemüse, wie etwa Sauerkraut, durch Einsalzen in einer natürlich gebildeten Salzlake fermentiert. In der sauerstoffarmen Umgebung fühlen sich Milchsäurebakterien wohl und wandeln die Kohlenhydrate aus dem Ausgangsprodukt in Milchsäure um. Dadurch sinkt der pH-Wert, was das Wachstum unerwünschter Mikroorganismen hemmt und das Lebensmittel länger haltbar macht. Während dieses Prozesses setzen die Mikroorganismen Enzyme frei, die komplexe Moleküle in einfachere Verbindungen umwandeln, was den Geschmack, die Textur und die Nährstoffzusammensetzung des Lebensmittels verändert.
Auch zum Anhören: Mythen & Fakten über Fermentation
Hinweis: Die Audiodatei wurde mithilfe des „Text to Speech & AI Voice“-Generators von ElevenLabs erstellt.
Mehr zu Fermentation
Nachweise
Barbieri et al. (2019): Biogenic Amine Production by Lactic Acid Bacteria: A Review. Foods 8(1):17
Bioökonomie.de (2022): Präzisionsfermentation – Maßgeschneiderte Bioproduktion. Themendossier vom 05.08.2022
BZfE – Bundeszentrum für Ernährung (2020a): Einlegen – Aufbewahren in Öl, Essig-Zucker und Alkohol
BZfE – Bundeszentrum für Ernährung (2020b): Vergären – Milchsäuregärung, alkoholische Gärung und Fermentation
Derndorfer E (2020): Fermentation: altes Wissen neu belebt. Ernährungs Umschau 5/2020:M283–M287
FAO/WHO (2006): Probiotics in food – Health and nutritional properties and guidelines for evaluation. FAO Food and Nutition Paper, p. 2
ISAPP – International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (2023): Probiotics, Prebiotics, Synbiotics, Postbiotics and Fermented Foods.
Marco et al. (2021): The International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP) consensus statement on fermented foods. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 18:196–208
MRI – Max Rubner-Institut (2018): Fermentierte Lebensmittel.
RethinkX Inc. (2024): Precision Fermentation Overview
Tangyu et al. (2023): Flavour by design: food-grade lactic acid bacteria improve the volatile aroma spectrum of oat milk, sunflower seed milk, pea milk, and faba milk towards improved flavour and sensory perception. Microb Cell Fact 22:133
Vogelreuter A (2012): Wenn Essen krank macht. Nahrungsmittelunverträglichkeit Histaminintoleranz. DAZ 2012(41):92
Wilhelmi M (2020): Ernährung bei Blähungen und Blähbauch (abdominelle Distension). SZE 01/2020:12–13
Titelbild: Justlight/stock.adobe.com
Stand: Mai 2024