Mehr Wissen über Fermentation
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Inhalt
Food-Trend Fermentation
In den Küchen der gehobenen Gastronomie, insbesondere in Skandinavien, wurde etwa seit der Jahrtausendwende die Technik des Fermentierens neu entdeckt; daraus entwickelte sich ein Food-Trend, der mittlerweile auch Hobbyküchen erfasst. Fermentierte Lebensmittel bieten eine große Bandbreite an Aromen für Speisen und Getränke. Gleichzeitig gibt die Konservierungstechnik Profis wie Laien die Möglichkeit, ganzjährig regionale Produkte zu genießen. Da regionale Wertschöpfungsketten auch aus Gründen der Nachhaltigkeit eine zunehmende Rolle spielen, unterhalten heute einige Restaurants der Spitzengastronomie eigene Labore für die Herstellung fermentierter Lebensmittel (Fermentation-Labs). Auch die vorgelagerte Industrie hat sich darauf eingestellt (Nestlé 2022, Finkbeiner 2022).
Obwohl die Produkte oft regionalen Ursprungs sind, lassen sich die „Fermentistas“ bei den Techniken weltweit inspirieren. In den Fermentiergläsern der Nation finden sich zwischen Sauerkraut und Gurken auch Bayerisches Kimchi oder Schwarzwaldmiso.
Bedeutende Verbände und Forschungskooperationen
International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP)
Die ISAPP ist eine gemeinnützige Organisation, die von einem wissenschaftlichen Vorstand geleitet und von einem beratenden Industrieausschuss unterstützt wird. Die Organisation mit Sitz in den USA wurde 2002 gegründet und setzt sich dafür ein, die Wissenschaft der Probiotika und Präbiotika voranzubringen und Erkenntnisse aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen zusammenzubringen.
Food Fermentation Europe
2023 wurde unter dem Namen „Food Fermentation Europe – FFE“ eine Allianz ins Leben gerufen, die die Interessen der Branche für fermentationsgestützte Lebensmittel und Lebensmittelzutaten vertritt. Gegründet von Better Dairy, Formo, Imagindairy, Onego Bio und Those Vegan Cowboys arbeitet der Verband an der schnellen Einführung von Fermentationstechnologien in der Europäischen Union, indem er sich bei der Gesetzgebung stark macht und Hindernisse für den Marktzugang beseitigt. Das Bündnis möchte die Europäische Union zu einem Vorreiter in der Bioökonomie machen.
https://www.foodfermentation.eu
Precision Fermentation Alliance
Die Precision Fermentation Alliance hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Präzisionsfermentation als vertrauenswürdige Lösung für ein widerstandsfähigeres und nachhaltigeres Lebensmittelsystem zu fördern. Mithilfe der Präzisionsfermentation sollen systemische Probleme im Lebensmittelsystem gelöst werden. Die Allianz agiert weltweit; zu den Gründungsmitgliedern gehören Change Foods, Every, Helaina, Imagindairy, Motif Foodworks, New Culture, Onego Bio, Perfect Day und Remilk.
Health Ferm
Die Europäische Union hat ein Budget von 13,1 Millionen Euro (14 Millionen Dollar) für HealthFerm bereitgestellt, eine Forschungskooperation von 23 Partnern aus ganz Europa. Ziel ist, das Wissen über die Interaktion zwischen Fermentationsmikrobiomen, fermentierten getreidebasierten Lebensmitteln und dem menschlichen Darmmikrobiom zu verbessern und herauszufinden, wie es der menschlichen Gesundheit zugutekommt. Gleichzeitig sollen neue, gesunde und nahrhafte fermentierte Lebensmittel auf Basis von Hülsenfrüchten und Getreide entwickelt werden.
PIMENTO (Promoting Innovation of ferMENTed fOods)
Die sogenannte COST-Action läuft bis Ende 2025 und dient der Vernetzung von Disziplinen sowie Akteurinnen und Akteuren im Bereich fermentierter Lebensmittel (COST steht für European Cooperation in Science and Technology). PIMENTO möchte die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Gesundheitsaspekte von fermentierten Lebensmitteln zusammenführen, technische, gesellschaftliche und rechtliche Engpässe bei Neuentwicklungen lösen, langfristige wissenschaftliche Arbeitsplätze sichern helfen, wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Breite tragen und einen strategischen Fahrplan für eine künftige gemeinsame Forschung festlegen.
Start-ups im Bereich Fermentation
Eine Liste jüngerer Unternehmen im Bereich Fermentation ist notwendigerweise unvollständig, da der Markt ständig in Bewegung ist. Unternehmen, die in diese Liste aufgenommen werden möchten, können gerne eine E-Mail an ernaehrungsradar@kern.bayern.de schreiben.
„Klassische“ fermentierte Produkte |
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fairment / Berlin https://shop.fairment.de/ |
Zentrum für Fermentation / Leipzig https://zff-leipzig.de/ |
Completeorganics GmbH / Aschheim http://www.completeorganics. |
Dr. Kimchi / München https://www.doctorkimchi.com |
Neue Produkte auf Basis von Pilzmycel |
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Mushlabs GmbH / Berlin https://www.mushlabs.com/ |
Esencia Foods / Berlin https://www.esenciafoods.co |
KYNDA Biotech / Hamburg https://kyndatech.com/ |
Nosh.bio GmbH / Berlin https://www.nosh.bio/ |
Neue Produkte auf Basis von Algen |
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Quazy Foods GmbH (früher EatMyPlants GmbH) / Berlin https://www.quazyfoods.com/ |
Koralo / München https://koralo-foods.com/en/home/ |
Präzisionsfermentation |
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ProteinDistillery GmbH / Esslingen www.proteindistillery.com Produkt: veganes Protein aus Industrienebenströmen |
COLIPI / Berlin https://www.zukunftschmeckt.de/colipi/ Produkt: Öle |
Formo Bio GmbH / Berlin https://formo.bio/ Produkt: tierfreie Milchprodukte |
Planet A Foods / München www.planet-a-foods.com Produkt: Schokolade |
Fermentations-Infrastruktur |
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mk2 Biotechnologies / München www.mk2.bio/ |
Fermentation auf dem Weg zur Ernährungswende?
Ein Besuch beim German Fermentation Summit 2024 in Hamburg hat gezeigt: Im Bereich der herkömmlichen Fermentation, der Biomassefermentation und der Präzisionsfermentation gibt es zahlreiche vielversprechende Entwicklungen in Hinblick auf ressourcenschonende Lebensmittelproduktion. Die Branche sieht sich als Baustein einer Ernährungswende, der die herkömmliche Produktion ergänzen und teilweise ersetzen soll. Bei der Gestaltung neuer Wertschöpfungsketten gibt es allerdings noch zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen:
- Damit die Produkte wirtschaftlich erfolgreich aus Versuchslaboren in große Produktionsanlagen umziehen können (die sogenannte Skalierung), sind weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeit und Investitionen notwendig – nicht nur in der Biotechnologie, sondern beispielsweise auch im Maschinenbau und in der Verfahrenstechnik.
- Die regulatorischen Hürden für neue Produkte im Lebensmittelbereich sind hoch. Sei es bei gesundheitsbezogenen Aussagen (sogenannten Health Claims) oder für neue Produkte nach der Novel-Food-Verordnung: die European Food Safety Authority (EFSA) bewertet die Neuerungen wissenschaftlich und die Europäische Kommission entscheidet dann über die Zulassung (EFSAa). In der Präzisionsfermentation werden sogenannte GVO (Genetisch veränderte Organismen) eingesetzt, deren Zulassung eine besonders strenge Sicherheitsbewertung erfordert (EFSAb).
- Viel Kommunikations- und Überzeugungsarbeit wird nötig sein, um neue Lebensmittel als Alternativen und Ergänzung zu tierischen Produkten am Markt zu etablieren: Weite Teile der Bevölkerung und Stakeholder der herkömmlichen Lebensmittelproduktion stehen den Entwicklungen skeptisch gegenüber und lehnen Alternativprodukte mehrheitlich ab.
Veranstaltet wurde der German Fermentation Summit vom FoodHarbour Hamburg und dem Food Campus Berlin; in dessen Mitglieder-Bereich steht ein ausführlicher Nachbericht des Summit zum Download zur Verfügung (eine kostenlose Registrierung ist erforderlich).
Verwertung bisher ungenutzter Roh- und Abfallstoffe
Zu den Potenzialen der Fermentation gehört auch, dass sie in der Lage ist, Reststoffe aus der Nahrungsindustrie oder bisher kaum genutzte Rohstoffe zu erschließen. Beispielsweise können Bioethanol und Biomethan aus Rest- und Abfallstoffen hergestellt werden, sodass das „Teller oder Tank“-Dilemma entschärft wird (NOW GmbH 2022).
Auch bisher wenig genutzte Rohstoffe, die in großer Menge zur Verfügung stehen oder ressourcenschonend in großen Mengen produziert werden, können für die Nahrungsmittelgewinnung erschlossen werden. Forschende der Universität Hohenheim arbeiten beispielsweise an einer Alternative zu Fisch und nutzen dafür die Mikroalgenart Phaeodactylum tricornutum. Um den Geschmack zu verbessern, werden die Algen mithilfe von Pilzen fermentiert (Bischoff et al. 2023).
Können fermentierte Produkte auch gefährlich sein?
Auch wenn fermentierte Lebensmittel aktuell häufig mit Gesundheit, Wohlbefinden und Genuss in Verbindung gebracht werden, gibt es beim gesicherten Wissen über mikrobiotische Vorgänge noch immer viele Leerstellen. Grundsätzlich gilt: Wenn die Zutaten hochwertig sind und hygienisch korrekt verarbeitet werden, produzieren die beim Fermentieren eingesetzten Organismen in der Regel keine giftigen oder gesundheitsschädlichen Stoffe.
Allerdings können einige Käsesorten und säurearm fermentierte Produkte Lebensmittelinfektionen verursachen, wenn sie beispielsweise mit Listeria monocytogenes, Salmonellen oder Clostridium botulinum verunreinigt sind. In lang gereiftem Käse oder Wurst können während des Fermentationsprozesses zudem Mikroorganismen vorkommen, die Antibiotikaresistenzen aufweisen. Die Übertragung vorhandener Resistenzgene auf andere Bakterien in der Umgebung kann dazu beitragen, dass sich Antibiotikaresistenzen weiter verbreiten und bei Verzehr durch den Menschen ein potenzielles Gesundheitsrisiko darstellen.
Darüber hinaus ist das Fermentationsprodukt Alkohol der Gesundheit nicht sehr zuträglich. Zudem kommt bei der Zubereitung von fermentiertem Gemüse oft Salz zum Einsatz, welches ebenfalls mit Bedacht konsumiert werden sollte (Marco et al. 2021).
Bei Naturheilmitteln auf Basis von Fermentation ist Vorsicht geboten: Fermentierter Roter Reis ist beispielsweise kein harmloses Nahrungsergänzungsmittel zur Senkung des Cholesterinspiegels, sondern enthält den Wirkstoff Monacolin K. Dieser kann Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit Medikamenten verursachen und senkt den Blutzuckerspiegel, daher ist der Verzehr allenfalls mit vorheriger ärztlicher Beratung sinnvoll (Verbraucherzentrale 2023).
Weiterführende Links
- BZfE – Bundeszentrum für Ernährung (2021): Fermentierte Lebensmittel – Kleine Organismen mit großer Wirkung
- BZfE – Bundeszentrum für Ernährung (2023): Foodtrend Fermentation – Bewährtes Wissen neu entdeckt
- Bioökonomie.de (2023): Präzisionsfermentation: Maßgeschneiderte Bioproduktion
- Wilke S (2023): Käse und Käsealternativen – Wohin entwickelt sich die Milchwirtschaft?, St. Gallen Business School
- GEA Group Aktiengesellschaft (2023): Neuland New Food – Das Potenzial alternativer Proteine für eine nachhaltigere Welt
- EUFIC (2017): Sind fermentierte Nahrungsmittel gesund?
- Walther B (2020): Fermentation – Vom Haltbarmachen zum Gesundheitsnutzen. Präsentation Agroscope, In: Swissmilk Symposium Darmgesundheit 2.0 18.01.2021, Online Swissmilk. 2021, 1–36
Mehr zu Fermentation
Nachweise
Bischoff et al. (2023): Mikroalgen: Umweltfreundliche und gesunde Fischalternative. Pressemitteilung vom 09.10.2023
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSAa): Anträge im Bereich Ernährung
Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSAb): Genetisch veränderte Organismen
Finkbeiner H (2022): Warum die Spitzengastronomie die Fermentation für sich entdeckt hat
Hunger S (2021): Kimchi mit regionalem Wintergemüse. GmiasHunger!
Nestlé Professional (2022): Fermentation – Sauer macht lustig
Marco et al. (2021): The International Scientific Association for Probiotics and Prebiotics (ISAPP) consensus statement on fermented foods. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 18:196–208
NOW GmbH (2022): Factsheet Biokraftstoffe
Schwarzwaldmiso: https://www.schwarzwald-miso.de/
Verbraucherzentrale (2023): Roter Reis – ganz natürlich den Cholesterinspiegel senken? Aufgerufen am 8.3.2024
Titelbild: Justlight/stock.adobe.com
Stand: Mai 2024