Zu sehen ist eine Petrischale mit Pipette, die auf einem Ausdruck eines DNA-Codes liegt.
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DNA-Stoffwechsel-Tests: Individuell abnehmen mit der Gen-Diät?

Über sogenannte „Direct-to-consumer”-Tests (DTC-Tests) können Verbraucher ihre Gene analysieren lassen. Resultierende Handlungsempfehlungen sollen zeigen, wie schnell der Stoffwechsel arbeitet oder welche Diät am besten zum Abnehmen geeignet ist.

Worum geht’s?

Der junge Forschungsbereich der Nutrigenomik untersucht die Wechselwirkung von Genom und Ernährung. Der Hintergrund: Das Genom der Menschen ist zwar zu 99,9 Prozent identisch (NHGRI 2018). Es gibt innerhalb der gut 20.000 proteinbildenden Gene der Menschen (Willyard 2018) aber kleine Variationen, sogenannte Polymorphismen, die zu messbaren Unterschieden führen.

Ein Ziel der Nutrigenomik-Forschung ist eine passgenaue Ernährung, die auf solchen individuellen genetischen Voraussetzungen basiert. Einige Unternehmen bieten solche DTC-Tests über das Internet an, die ein individuelles, auf die eigenen Gene abgestimmtes Abnehmen ermöglichen sollen. Diese Angebote beinhalten oft ein Testkit für zuhause, um bestimmte Gene mithilfe einer Speichelprobe nach Polymorphismen zu untersuchen. Im Anschluss erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher Informationen zum eigenen Stoffwechseltyp, den abgestimmten Lebensmitteln und der individuellen Gen-Diät, mit der das Abnehmen am besten funktionieren soll.

Wie laufen solche Tests ab?

Diese Tests setzen in der Regel auf Speichelproben, die daheim selbst genommen werden: Stäbchen in den Mund, nach Anleitung verpacken und zurückschicken. Im Labor werden diese dann auf bestimmte Gene und Variationen untersucht. Je nach Ergebnis und Anbieter, sowie Preis, bekommen die Kunden individuelle Empfehlungen, Zugang zu weiteren Informationen, einer App oder auch individuelle Ernährungsberatung. Die Kosten für einen Stoffwechsel-Test liegen meist zwischen 150 bis 400 Euro, je nachdem, was alles im Preis inbegriffen ist.

Wie seriös sind solche Tests?

Gene steuern das Übergewicht

Laut Werbung bestimmen die Gene die Neigung zu Übergewicht oder das empfundene Sättigungsgefühl bestimmen. Bislang sind die Belege für die von DTC-Tests bestimmten Polymorphismen und deren Auswirkungen auf Übergewicht jedoch dürftig.

Gene wirken zwar bei der Entstehung von Übergewicht mit. Assoziationsstudien haben mehr als 1.000 Genorte identifiziert, die mit Merkmalen für Übergewicht, wie dem Body-Mass-Index (BMI), zusammenhängen. Es sind Dutzende Kandidatengene bekannt, die Übergewicht begünstigen können (Loos/Yeo 2022). Der Zusammenhang von Gen-Polymorphismen mit Stoffwechselfunktionen oder Übergewicht ist belegt.

Aber: Bis auf wenige Fälle sind an Übergewicht viele Gene mit jeweils sehr kleinem Effekt beteiligt. So zeigt eine genomweite Assoziationsstudie, dass 97 Genorte mit starkem Übergewicht zusammenhängen, insgesamt aber nur 2,7 Prozent der Unterschiede des BMI der Probanden erklären (Locke et al. 2015). Ein einzelner Genort hat nur eine beschränkte Aussagekraft.

Dazu kommt: Ein Polymorphismus in einem Gen erhöht die statistische Wahrscheinlichkeit für einen Effekt, beeinflusst jedoch nicht zwangsläufig das Gewicht. Ob und wie die Zelle ein Gen nutzt, hängt von der Epigenetik ab (Hamilton 2011). Epigenetische Markierungen verändern sich im Laufe des Lebens, beispielsweise durch das Alter oder Umwelteinflüsse, wie die Ernährung oder Sport (Barrón-Cabrera et al. 2019). Ob ein Polymorphismus zu Übergewicht führt oder andere Effekte hat, ist zu großen Teilen von äußeren Einflüssen und dem Lebensstil abhängig und lässt sich schwer vorhersagen.

Genetische Daten helfen beim Gewichtsverlust

Laut einiger Firmen helfen DTC-Tests beim Abnehmen. Dies soll mithilfe des Wissens über die eigenen Gene geschehen. Die bisherige Forschung zeigt: Für den Erfolg entscheidend sind nicht die Gendaten (Jinnette et al. 2021).
Grundsätzlich sind individualisierte Empfehlungen, die Ernährung oder Lifestyle integrieren, für den Gewichtsverlust förderlich. Abnehmwillige erreichten ihr Ernährungsziel eher mit solchen individualisierten Ernährungsempfehlungen als durch allgemeine Ratschläge (Livingstone et al. 2021). In der Food4Me-Studie brachten genetische Informationen keinen zusätzlichen Nutzen für die Ernährungsumstellung oder den Gewichtsverlust der Probanden (Celis-Morales et al. 2017).

Mit DTC-Test den Stoffwechseltyp bestimmen

Mit Hilfe der DTC-Tests soll der jeweilige Stoffwechseltyp ermittelt werden – sprich der Protein-, der Kohlenhydrat- oder der Fett-Typ. Basierend darauf erhalten die Teilnehmenden passende Ernährungsempfehlungen und erfahren auch, wie sie durch Bewegung den Stoffwechsel ankurbeln können. Die Einteilung in einen von drei Stoffwechseltypen wird jedoch der Biologie nicht gerecht.

Der Stoffwechsel oder das Körpergewicht (Khera et al. 2019) werden durch viele Gene bestimmt, sind also polygen. Die Ausprägungen passen besser zu den Abstufungen einer Normalverteilung als zu einer Einteilung in drei Kategorien. Die Literatur zeigt zwar Assoziationen von Gen-Orten mit phänotypischen Effekten, also mit dem, was im Alltag greifbar ist, wie beispielsweise ein veränderter Stoffwechsel. In den meisten Fällen gibt es jedoch weder einen Beleg für den kausalen Zusammenhang zwischen Gen und Effekt noch für die genaue Funktion des Gens im Stoffwechsel (Loos 2018). Oft ist unklar, welche Umstände aus Umwelt und Epigenetik zu einem Auftreten des Effekts im Alltag führen.

Einordnung unabhängiger Institutionen

Auffällig ist, dass gerade Fachkräfte aus dem Bereich Genetik im Gesundheitswesen am wenigsten von DTC-Gentests überzeugt sind. Eine Erhebung zeigt, dass sie den Nutzen und die Validität der Tests als zu gering einschätzen und den Ergebnissen weniger vertrauen (Martins et al. 2022). Laut Christina Holzapfel von der Technischen Universität München gibt es keine Anhaltspunkte, „um aufgrund genetischer Informationen individuelle Ernährungsempfehlungen etwa fürs Gewichtsmanagement abzuleiten“ (TUM 2018).

Öffentliche europäische Institutionen wie das European Academies‘ Science Advisory Council sind sich in der Positionierung zum Thema DTC-Tests einig: Sie äußern Bedenken hinsichtlich der Transparenz bei Qualität und Qualitätssicherung, des klinischen Nutzens und des Datenschutzes (Rafiq et al. 2015).

Nach Auffassung der Verbraucherzentralen stellen Gentests im Rahmen von Diäten, die ohne angemessene persönliche, fachliche Beratung oder ärztliche Betreuung angeboten werden, eine fahrlässige Praxis dar. Diese können zu Verunsicherung und Überforderung bei Konsumenten führen, insbesondere wenn neben der eigentlichen Genanalyse auch angeblich notwendige Nahrungsergänzungsmittel vertrieben werden (Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen 2022).

Wer bietet solche Tests an?

Unternehmen aus dem In- und Ausland, mit Sitz in Deutschland, Österreich, Liechtenstein oder Spanien bieten DTC-Tests an. (Beispielsweise die Cerascreen GmbH, die LykonDX GmbH oder die W.A.P. GmbH, um nur einige Beispiele zu nennen.) Dies ist möglich, obwohl das Gendiagnostikgesetz bei medizinischen DNA-Tests eine ärztliche Aufklärung vorschreibt (Bundesministerium für Gesundheit). Denn ob ein DTC-Speicheltest, den Verbraucher eigenständig zu Hause durchführen, als Lifestyle- oder Medizinprodukt gilt, ist juristisch noch offen. Für Verbraucher gestaltet sich die Beschaffung transparenter Informationen zum Testverfahren oder zur Genauigkeit des Tests schwierig.

Wer verdient daran?

Die Anbieter verdienen am Verkauf der DTC-Tests. Manche von ihnen stützen ihr Angebot mit populärwissenschaftlichen Blogbeiträgen, geben selbst durchgeführte Studien als Referenz an und machen wissenschaftliche Aussagen. In einigen Fällen haben Verbraucher zusätzlich die Möglichkeit, zu den Genen passende Nahrungsergänzungsmittel zu erwerben. Aufgrund der Gewinnerzielungsabsicht der Anbieter besteht ein Interessenkonflikt.

Text: Dr. Sebastian Steinemann / KErn


Nachweise

Barrón-Cabrera et al. (2019): Epigenetic Modifications as Outcomes of Exercise Interventions Related to Specific Metabolic Alterations: A Systematic Review. Lifestyle Genom 12(1-6):25–44

BMG – Bundesministerium für Gesundheit: Gendiagnostikgesetz

Celis-Morales et al. (2017): Effect of personalized nutrition on health-related behaviour change: evidence from the Food4Me European randomized controlled trial. Int J Epidemiol 46(2):578–588

Hamilton JP (2011): Epigenetics: Principles and Practice. Digestive Diseases 29(2):130–135

Jinnette et al. (2021): Does Personalized Nutrition Advice Improve Dietary Intake in Healthy Adults? A Systematic Review of Randomized Controlled Trials. Advances in Nutrition 12(3):657–669

Khera et al. (2019): Polygenic Prediction of Weight and Obesity Trajectories from Birth to Adulthood. Cell 177(3):587–596.e9

Livingstone et al. (2021): Personalised nutrition advice reduces intake of discretionary foods and beverages: findings from the Food4Me randomised controlled trial. Int J Behav Nutr Phys Act (18):70

Locke et al. (2015): Genetic studies of body mass index yield new insights for obesity biology. Nature 518:197–206

Loos RJF and Yeo GSH (2022): The genetics of obesity: from discovery to biology. Nat Rev Genet 23:120–133

Loos RFJ (2018): The genetics of adiposity. Curr Opin Genet Dev 50:86–95

Martins et al. (2022): Direct-to-consumer genetic testing: an updated systematic review of healthcare professionals’ knowledge and views, and ethical and legal concerns. Eur J Hum Genet 30:1331–1343

NHGRI – National Human Genome Research Institute (2018): Genetics vs. Genomics Fact Sheet

Rafiq et al. (2015): Direct-to-Consumer Genetic Testing: A Systematic Review of European Guidelines, Recommendations, and Position Statements. Genet Test Mol Bioma 19(10):535–547

TUM – Technische Universität München (2018): Personalisierte Ernährung – DNA-Diäten: keine Belege für genetische Einflussnahme. Pressemitteilung vom 15.08.2018

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (2022): Von Stoffwechsel-Diäten bis Trennkost: Erfolgsaussichten und Gefahren

Willyard C (2018): New human gene tally reignites debate. Nature 558:354–355

Titelbild: pogonici/panthermedia.net


Stand: Januar 2024

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