Ein Tisch voll Alternativer Proteine: Hülsenfrüchte, Pilze, Würstchen und Schnitzel aus Fleischersatz.

Mythen und Fakten: Alternative Proteine

Mythos 1: „Ei liefert das hochwertigste Protein“

Nicht unbedingt. Zwar sind Eier zweifellos eine hochwertige Proteinquelle, da sie alle neun essenziellen Aminosäuren in den für den menschlichen Körper optimalen Verhältnissen enthalten (DGE 2021). Allerdings ist die alleinige Betonung von Ei als hochwertigste Eiweißquelle nicht ausreichend.

In der Vergangenheit wurde die biologische Wertigkeit als gängiges Maß verwendet, um die Qualität von Proteinen zu bewerten und anzuzeigen, wie gut der menschliche Körper Proteine aus der Nahrung aufnehmen und nutzen kann. Eier wurden willkürlich als das Referenzprotein mit einer biologischen Wertigkeit von 100 definiert. Kuhmilch hat ebenfalls einen Wert von 100, was aber nicht bedeutet, dass der Körper 100 Prozent des Proteins auch verwerten kann. Faktoren wie die Verdaulichkeit oder die Aminosäuren-Zusammensetzung von Proteinen werden bei der biologischen Wertigkeit nicht berücksichtigt (Hutterer 2018, Müller 2005).

Der Digestible Indispensable Amino Acid Score

Heutzutage ist der Digestible Indispensable Amino Acid Score, kurz DIAAS, die bevorzugte Standardmethode zur Bewertung der Qualität von Proteinen und wird von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) empfohlen (Ornan/Reifen 2022). Der DIAAS berücksichtigt sowohl den Aminosäuregehalt als auch die Verdaulichkeit eines Proteins im menschlichen Verdauungssystem. Je höher der DIAAS-Wert, desto besser die Qualität des Proteins. Ein DIAAS-Wert von 100 % oder höher bedeutet, dass das Protein alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge enthält, um den Bedarf des Körpers zu decken.

Eier weisen einen DIAAS-Wert von 122 % auf und übertreffen damit in ihrer Proteinqualität zahlreiche pflanzliche Lebensmittel wie Sojamehl (105 %), Erbsen (88 %), Kichererbsen (71 %) und Cerealien wie rohe Haferflocken (67 %), weißen polierten Reis (64 %) oder Weizen (43 %) (Adhikari et al. 2022). Hingegen haben zahlreiche Fleischsorten einen deutlich höheren DIAAS-Wert im Vergleich zu Eiern: gekochter Räucherspeck vom Schwein mit 142 %, Schweinelende mit 139 %, Schweineschinken mit 133 % oder Rindersteak mit 130 %. Somit können sowohl tierische als auch pflanzliche Eiweißquellen eine gute Qualität liefern. Dennoch ist es ratsam, eine breite Palette von Nahrungsmitteln zu genießen, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Nährstoffe abgedeckt und mögliche gesundheitliche Risiken minimiert werden. Setzt man ausschließlich auf Eier als Hauptproteinquelle, besteht die Gefahr einer unausgewogenen Ernährung, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken kann.

Mythos 2: „Alternative Proteine und daraus hergestellte Lebensmittel (Fleischersatz) sind gesünder als tierische Produkte (Fleisch)“

Nicht zwangsläufig. Alternativproteine in Fleischersatzprodukten können in mancher Hinsicht gesünder sein als Fleisch. Beispielsweise enthalten viele pflanzliche Proteine, die in Fleischersatzprodukten zum Einsatz kommen (u. a. aus Soja, Weizen, Erbsen, Lupinen), weniger gesättigte Fette und Cholesterin als manche Fleischsorten (Kumar et al. 2020, Bohrer 2019). Ein hoher Verzehr von gesättigten Fettsäuren und Cholesterin wird dabei mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Gesundheitsproblemen in Verbindung gebracht.

Zudem sind pflanzliche Proteine oft reich an Ballaststoffen, Antioxidantien und anderen gesundheitsförderlichen Nährstoffen, die in Fleisch nicht unbedingt in derselben Menge vorhanden sind. Ballaststoffe spielen eine wichtige Rolle für die Verdauung und können helfen, den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren, den Cholesterinspiegel zu senken und das Darmkrebsrisiko zu verringern. Antioxidantien wiederum können freie Radikale neutralisieren und Entzündungen im Körper reduzieren.

Unabhängig von den gesundheitlichen Vorteilen gilt es aber zu beachten, dass Fleisch ebenfalls wichtige Nährstoffe wie hochwertiges Eiweiß, Vitamin B12 und Eisen liefern kann, die in pflanzlichen Ersatzprodukten möglicherweise weniger enthalten oder für den menschlichen Körper schlechter bioverfügbar sind (Kolodziejczak 2022).

Hier gibt es mehr Informationen zum Thema Fleisch.

Wie gesund pflanzliche Fleischersatzprodukte im Vergleich zu Fleisch sind, hängt jedoch von mehreren Faktoren ab: Unter anderem von den individuellen Ernährungszielen, Vorlieben und gesundheitlichen Bedürfnissen. Auch der Verarbeitungsgrad und die Art der enthaltenen Zusatzstoffe spielen eine Rolle. Sie können stark zwischen einzelnen Fleischersatzprodukten variieren. (Mazumder et al. 2023).

Dabei ist Verbrauchern anzuraten, die Zutatenliste und die Nährwertangaben auf Lebensmittelverpackungen zu überprüfen und weniger verarbeitete Varianten zu bevorzugen. Auch fehlt es bislang an umfassenden Untersuchungen zu pflanzlichen Fleischersatzprodukten, insbesondere in Bezug auf Sicherheitsaspekte wie Kontaminationen mit Schwermetallen, Pestizidrückständen und potenziell schädlichen (antinutritiven) Inhaltsstoffen für den Menschen.

Mythos 3: „Fleischersatzprodukte sind günstiger“

Jein.In den Regalen der Supermärkte gibt es inzwischen eine Vielzahl von Fleischersatzprodukten, darunter Veggie-Schnitzel, Nuggets und Würstchen. Diese Produkte werden häufig aus Körnern wie Weizen (Seitan), Soja und verschiedenen Hülsenfrüchten wie Kichererbsen hergestellt. Aber auch Pilze, Algen und tierische Quellen wie Hühnerei-Eiweiß dienen als Basis für Fleischersatzprodukte. Etwa 80 % der deutschen Verbraucher greifen mit unterschiedlicher Häufigkeit zu Fleischersatzprodukten (Statista 2023).

Im Jahr 2021/2022 waren Fleischersatzprodukte in Deutschland mit einem Durchschnittspreis von 10,8 Euro pro Kilogramm (€/kg) deutlich teurer als konventionelles Fleisch (Statista 2022). Im Vergleich zu Schweinefleisch mit 7,3 €/kg oder Geflügel mit 6,4 €/kg stellt dies einen erheblichen Preisunterschied von 30 bis 40 Prozent dar. Gemessen an Rindfleisch mit durchschnittlich 18,3 €/kg war Fleischimitat etwa 40 Prozent günstiger.

Der Fleischersatzmarkt entwickelte sich in den vergangenen Jahren äußerst rasant und hat heute bereits eine große Angebotsvielfalt erreicht. Für die kommenden Jahre werden weitere Wachstumsraten prognostiziert. Während der Pro-Kopf-Absatz in Deutschland im Jahr 2022 bei rund 530 Gramm Fleischimitaten lag, soll er bis 2027 auf 1,38 Kilogramm pro Kopf oder rund 62 Prozent ansteigen. Längerfristig zeichnet sich ab, dass sich die Preise von konventionellem Fleisch und Fleischersatzprodukten immer weiter annähern werden. Das wird die Preisgestaltung zukünftig sicherlich zu Gunsten der Verbraucher beeinflussen.

Mythos 4: „Bei der Herstellung von Pflanzendrinks wird deutlich weniger CO2 frei“

Das stimmt. Vegetarische Milch, oder sogenannte „Pflanzendrinks“, boomen und das Angebot ist vielfältig. Die beliebtesten pflanzlichen Alternativen zur herkömmlichen Kuhmilch sind bei den Deutschen Hafermilch, gefolgt von Mandelmilch, Sojamilch, Kokosmilch, Reismilch und Cashewmilch (Statista 2021a). Umfragen haben ergeben, dass die meisten Menschen, die sich für pflanzliche Milch anstelle von Kuhmilch(produkten) entscheiden, ihren Verzicht damit begründen, dass sie einen Beitrag zum Tier-, Umwelt- oder Klimaschutz leisten wollen (Statista 2021b).

Im Vergleich zu Kuhmilch (Vollmilch), mit einem ökologischen Fußabdruck von 1,3 bis 1,7 Kilogramm CO2-Äquivalenten pro Kilogramm Lebensmittel, schneiden Pflanzendrinks aus Soja, Dinkel, Hafer und Mandel mit durchschnittlich 0,3 bis 0,4 CO2-Äquivalenten pro Kilogramm Lebensmittel deutlich besser ab (Statista 2020). Das bedeutet, dass Kuhmilch einen etwa drei- bis viermal größeren ökologischen Fußabdruck hat als Pflanzenmilch. Über den gesamten Produktlebenszyklus von Kuhmilch, einschließlich Produktion, Verarbeitung, Transport und Entsorgung, fallen also mehr Treibhausgasemissionen an.

Der ökologische Fußabdruck berücksichtigt dabei nicht nur CO2-Emissionen, sondern auch andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas sowie andere Umweltauswirkungen wie Flächen- und Wasserverbrauch und Futtermittelproduktion. Betrachtet man spezifisch die alleinige Freisetzung von CO2 während des Herstellungsprozesses von Kuhmilch und pflanzlicher Milch, offenbaren sich Parallelen. So werden bei der Produktion von 1 Liter Kuhmilch durchschnittlich 3,2 Kilogramm CO2 freigesetzt (Statista 2018), während der CO2-Fußabdruck von Pflanzendrinks wie Reismilch bei 1,2, von Sojamilch bei 1,0, von Hafermilch bei 0,9 und von Mandelmilch bei 0,7 Kilogramm pro Liter liegt und somit rund ein Drittel niedriger ausfällt.

Hier gibt es mehr Informationen zum Thema Milch.

Mythos 5: „Sojamilch ist mindestens so ungesund wie Cola.“

Nicht unbedingt. Grundsätzlich gibt es keine Lebensmittel, die „per se“ ungesund sind. Es kommt immer darauf an, wie häufig und in welcher Menge man ein Lebensmittel verzehrt. Cola enthält eine beträchtliche Menge an leeren Kalorien, hauptsächlich in Form von zugesetztem Zucker, die keine oder nur sehr wenige essenzielle Nährstoffe wie Vitamine oder Mineralien für den menschlichen Körper bieten (Nawab et al. 2021). Der übermäßige Konsum von Cola kann daher zu einer hohen Kalorienaufnahme und einem gesteigerten Risiko für Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen.

Sojamilch enthält im Vergleich zu Cola wertvolle Proteine, Ballaststoffe, Vitamine (wie B-Vitamine und Vitamin K) und Mineralstoffe wie Kalzium, Magnesium und Eisen, die wichtige Bausteine einer ausgewogenen Ernährung sind (Han et al. 2021). Darüber hinaus enthält Sojaprotein bioaktive Verbindungen, die verschiedene gesundheitliche Vorteile haben, wie etwa die Senkung des Blutdrucks und die Stärkung des Immunsystems. Außerdem enthält Sojamilch in der Regel deutlich weniger Zucker als Cola, vor allem wenn es sich um ungesüßte Produktvarianten handelt (Liu/Chang 2012).

Weshalb wird Sojamilch dann oft als „ungesund“ oder „schlecht“ angesehen?

In den Köpfen vieler Verbraucher existieren Vorbehalte und Bedenken gegenüber Sojamilch, die teilweise durchaus berechtigt sind. Einige handelsübliche Sojamilchprodukte enthalten Zusatzstoffe wie Zucker, Stabilisatoren, Aromastoffe und Konservierungsmittel (Han et al. 2021), die den gesundheitlichen Nutzen beeinträchtigen können. Außerdem enthalten Sojabohnen von Natur aus Antinährstoffe wie Phytate oder Enzymhemmer, die die Aufnahme bestimmter Nährstoffe durch den menschlichen Körper behindern können. Ein weiterer Aspekt sind gentechnische veränderte Sojabohnen, die einigen Sojaprodukten zugrunde liegen, was häufig Bedenken hinsichtlich ihrer Sicherheit und möglichen gesundheitlichen Auswirkungen aufwirft (Herman 2003). Zudem können einige Menschen allergisch auf Soja reagieren oder eine Unverträglichkeit gegenüber Sojaprodukten haben. Das kann bei Verzehr von Sojamilch unangenehme Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall oder Hautausschläge verursachen.

Trotzdem ist Sojamilch im Vergleich zu Cola die gesündere Wahl. Allerdings kann sich die Qualität von Sojamilch von Marke zu Marke stark unterscheiden, insbesondere hinsichtlich des Zuckergehalts und der Zusatzstoffe. Daher ist es ratsam, die Nährwertangaben auf dem Etikett zu überprüfen und sich für ungesüßte oder wenig gesüßte Sojamilch zu entscheiden. Zudem müssen Lebensmittelverpackungen in Deutschland Hinweise auf gentechnisch veränderte Organismen enthalten, sodass Verbraucher entsprechende Kennzeichnungen bei der Lebensmittelwahl berücksichtigen können.

Auch zum Anhören: Mythen & Fakten über Alternative Proteine

Hinweis: Die Audiodatei wurde mithilfe des „Text to Speech & AI Voice“-Generators von ElevenLabs erstellt.

Mehr zu Alternativen Proteinen

Nachweise

Adhikari et al. (2022): Protein quality in perspective: A review of protein quality metrics and their application. Nutrients 14(5):947

Bohrer BM (2019): An investigation of the formulation and nutritional composition of modern meat analogue products. Food Sci Hum Wellness 8(4):320-329

DGE – Deutsche Gesellschaft für Ernährung (2021): Protein. Ausgewählte Fragen und Antworten zu Protein und unentbehrlichen Aminosäuren

Han et al. (2021): Recent innovations in processing technologies for improvement of nutritional quality of soymilk. CyTA – Journal of food, 19(1):287-303

Herman EM (2003): Genetically modified soybeans and food allergies. J Exp Bot 54(386):1317–1319

Hutterer C (2018): Pro Protein – Proteine und ihre Bedeutung in der Ernährung. Protein ist nicht gleich Protein. DZSM

Kolodziejczak et al. (2022): Meat analogues in the perspective of recent scientific research: A review. Foods 11(1):105

Kumar et al. (2020): Plant proteins as healthy, sustainable and integrative meat alternatives. IntechOpen

Liu ZS, Chang SKC (2012): Nutritional profile and physicochemical properties of commercial soymilk. J Food Process Preserv 37:651–661

Müller M (2005): Eiweiss und Aminosäuren in der Ernährung – Empfehlungen für eine optimale Versorgung. Schweiz Zschr GanzheitsMedizin 17(2):100–103

Mazumder et al. (2023): Role of plant protein on the quality and structure of meat analogs: A new perspective for vegetarian foods. Future Foods 8:100280

Nawab et al. (2021): Soft drinks: A Threat for a healthy life. RADS-JPPS 9(2):130–139

Ornan EM, Reifen R (2022): Revisiting protein quality assessment to include alternative proteins. Foods 11(22):3740

Statista (2023): Fleischersatzprodukte – Statista-Trend-Report zu vegetarischen und veganen Fleischalternativen

Statista (2022): Durchschnittliche Preise von Fleisch- und Fleischersatzprodukten in Deutschland in den Jahren 2020/21 und 2021/22

Statista (2021a): Auf welche Alternativen zu konventioneller Milch greifst du zurück?

Statista (2021b): Weshalb verzichtest du auf Milchprodukte?

Statista (2020): Ökologischer Fußabdruck von Milchprodukten, Eiern und Milchersatzprodukten in Deutschland im Jahr 2019

Statista (2018): CO2-Emissionen von Kuhmilch und pflanzlicher Milch im Vergleich im Jahr 2018

Titelbild: bit24/stock.adobe.com


Stand: Juni 2024

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