Auf einem beigefarbenem Teller liegt ein kleiner Globus, neben dem eine Gabel und ein Löffel liegen.

Planetary Health Diet – klimafreundlich und gesund?

Wissenschaftler kennen einen „idealen“ Speiseplan, mit dem die Welt gesund satt werden könnte und nicht weiter zerstört würde. Die Umsetzung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit.

Im Jahr 2019 veröffentlichte die EAT-Lancet-Kommission, ein Zusammenschluss von 37 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Disziplinen und 16 Ländern, die Planetary Health Diet: einen Speiseplan, der die Gesundheit des Menschen und des Planeten gleichermaßen schützen soll. Ihr Bericht „Food in the Anthropocene: the EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems“ soll zeigen, dass es möglich ist, im Jahr 2050 insgesamt 10 Milliarden Menschen mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen, ohne die planetaren Grenzen zu überschreiten. Gleichzeitig sollen damit weltweit etwa 11 Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr verhindert werden können.

Kurz gesagt

  • Die EAT-Lancet-Kommission hat eine Ernährungsstrategie entwickelt, die gleichermaßen gut für den Planeten und die Gesundheit sein soll.
  • Der globale Anteil der Ernährung bei Treibhausgas-Emissionen wird auf 32 Prozent geschätzt (FAO 2023).
  • Der Verzehr von Obst und Gemüse sollte etwa verdoppelt, der von Fleisch und Zucker hingegen halbiert werden – und Hülsenfrüchte und Nüsse sollten in sehr viel größeren Mengen konsumiert werden.
  • Das global empfohlene Ernährungskonzept lässt sich in dieser Form nicht einfach in die Praxis umsetzen.
  • Ernährungsempfehlungen sollten im Sinne der Nachhaltigkeit auch regionale Versorgungsgrade und die einheimische Landwirtschaft mit berücksichtigen.

Inhalt


Essen der Zukunft: Ernährung neu denken

Der größte Hebel für die persönliche und planetare Gesundheit ist laut den Autoren die Ernährung: Neben der Förderung gesunder Ernährungsmuster sind weitere Maßnahmen entscheidend. Zum Beispiel die Reduzierung von Lebensmittelabfällen und die Verbesserung der Produktionspraktiken von Lebensmitteln (Willet et al. 2019).

Die Publikation der EAT-Lancet-Kommission wird international von vielen Experten als Referenzempfehlung für eine nachhaltige Ernährungsweise herangezogen. Einige Forschende hinterfragen jedoch, ob die empfohlenen Lebensmittelmengen eine bedarfsdeckende Nährstoff- und Energiezufuhr gewährleisten können – und wie alltagstauglich dieser „Speiseplan der Zukunft“ tatsächlich ist. Schließlich stehen oftmals Gewohnheiten, individuelle Geschmacksvorlieben oder soziale Erwartungen im Weg.


Planetare Grenzen – was steckt dahinter?

Plastik in den Meeren, Verknappung von Wasser, Böden und Ressourcen bis hin zum Artensterben, hohen Stickstoffeinträgen in die Umwelt durch intensive Tierhaltung und Düngung – der menschliche Einfluss auf Natur und Umwelt ist vielfältig und verflochten. Dementsprechend groß sind auch die Herausforderungen zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Einen Überblick über die bedeutendsten globalen Umweltprobleme bietet das Modell der „Planetaren Grenzen“:

Die Grafik zeigt an, welche der neun planetaren Belastungsgrenzen am Limit oder überschritten sind und bei welchen es noch gut aussieht.

Quelle: Azote für das Stockholm Resilience Centre, basierend auf der Analyse von Richardson et al. 2023: https://www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html

Dieses Modell wurde 2009 unter der Leitung von Prof. Johan Rockström entwickelt, damals Direktor des Stockholm Resilience Center (Rockström et al. 2009). Dabei geht es darum, die ökologischen Belastungsgrenzen („planetary boundaries“) der Erde zu verdeutlichen. Denn deren Überschreiten gefährdet die Stabilität der Ökosysteme und somit auch unsere Lebensgrundlagen (Willett et al. 2019). Sechs der neun definierten planetaren Belastungsgrenzen sind aktuell überschritten: die Zunahme der Erderwärmung, die Zerstörung der biologischen Vielfalt, die Freisetzung von Stickstoff und Phosphor in der Umwelt (biochemische Kreisläufe), die Belastung der Erde mit unbekannten Substanzen wie Mikroplastik und mit Chemikalien.

Kritisch ist auch die Veränderung der Landnutzung, zum Beispiel durch Rodung von Urwäldern für die Herstellung von Futter- oder Lebensmitteln. Noch innerhalb der planetaren Belastungsgrenzen liegen die Versauerung der Ozeane und der Abbau der Ozonschicht. Für die Belastung der Atmosphäre mit Schwebeteilchen gibt es noch keine Daten.


EAT-Lancet 2.0. – Planetary Health, eine neue Wissenschaft

Die „Rockefeller Foundation – Lancet-Kommission für planetare Gesundheit“ griff das Modell der planetaren Grenzen auf und stellte 2015 in ihrem „Planetary Health Report“ Zusammenhänge zwischen Umwelt- und Gesundheitsschäden her. Dies war der Beginn der neuen Wissenschaftsdisziplin „Planetary Health“ (planetare Gesundheit). Der Report verdeutlicht die enge Verbindung zwischen einem gesunden Planeten und der menschlichen Gesundheit und stellt fest, dass das weltweite Ernährungssystem eine wesentliche Rolle bei der Überschreitung der planetaren Grenzen spielt (Whitmee et al. 2015).

Wie dringlich dieses globale Vorhaben ist, betonte die EAT-Lancet-Kommission (EAT-Lancet 2.0.) im Juli 2023 erneut. Aufbauend auf den Erkenntnissen der ersten Veröffentlichung wird EAT-Lancet 2.0. in Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Stockholm Resilience Centre (SRC), dem Potsdam Institute for Climate Impact Research (PIK) und der Harvard University und OneCGIAR mehrere neue Elemente einbeziehen. Dazu zählt ein stärkerer Fokus auf Vielfalt und die Anpassung regionaler und lokaler Ernährungsweisen, eine größere Vielfalt in der Zusammensetzung der Kommission und ein neuer Blick auf Ernährungsgerechtigkeit und soziale Ernährungssysteme.

Zusätzlich zur Arbeit der Kommission wird eine zwölfmonatige globale Konsultation durchgeführt, um die lokale Legitimität, die Akzeptanz und die Annahme der Empfehlungen der mittlerweile 24-köpfigen Kommission zu stärken. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse ist für 2024 geplant. Weitere Informationen gibt es hier: https://eatforum.org/eat-lancet-commission/eat-lancet-commission-2-0/


Einfluss der Ernährung auf Klima und Umwelt

Das globale Ernährungssystem verursacht ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen (Crippa et al. 2021, FAO 2023). Für rund die Hälfte davon ist die Produktion tierischer Lebensmittel verantwortlich (FAO 2023).

Wie klimafreundlich is(s)t Deutschland?

In Deutschland macht die Ernährung etwa ein Fünftel des persönlichen CO2-Fußabdrucks aus (1,7 Tonnen CO2-Äquivalente). Je nach Berechnung gehen davon 54 Prozent (Schmidt et al. 2019) oder 69 Prozent (WWF 2022) auf das Konto tierischer Lebensmittel wie Fleisch, Milchprodukte oder Eier.

Auch bei anderen problematischen Umweltwirkungen wie Versauerung, Eutrophierung oder Feinstaubbelastung hat die Ernährung einen großen Anteil an der Entstehung (EU-Kommission). Darüber hinaus werden, laut Umweltbundesamt, rund 83 Prozent des Pro-Kopf-Wasserverbrauchs für die Herstellung von Lebensmitteln benötigt. Pflanzliche Lebensmittel haben daran den größten Anteil: Im Falle einer Umstellung auf die Planetary Health Diet würde der Wasserverbrauch von 29 auf 45 Kubikmeter pro Person und Jahr ansteigen (WWF 2021).

Zusätzlich werden für den Lebensmittelkonsum hierzulande zu den 16,7 Millionen Hektar Anbaufläche in Deutschland weitere 11,7 Millionen Hektar im Ausland belegt, einschließlich des Anbaus von Futtermitteln (Umweltbundesamt 2021, Zahlen basieren auf dem Jahr 2016). Ein Großteil, der gesamten Anbauflächen, 57 Prozent im Jahr 2016, werden dabei für den Anbau von Futtermitteln genutzt (Umweltbundesamt 2021).

Modellbasierte Studien zeigen, dass sich die ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen durch eine niedrigere Kalorienaufnahme und eine Reduzierung des Konsums tierischer Produkte um bis zu 29 Prozent senken ließen. Eine weltweite Umstellung auf eine vegetarische oder vegane Ernährung könnte sogar zu einer Reduktion von 60 bis 70 Prozent führen (Springmann et al. 2017).

Weniger Fleisch essen und dabei die Welt retten

Diese Einschätzung teilt auch das Umweltbundesamt: Durch eine Umstellung von der durchschnittlichen Ernährungsweise in Deutschland auf eine vegetarische Ernährung ließen sich zwischen 20 und 47 Prozent der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen einsparen. Bei einer veganen Ernährung sind es zwischen 38 und 52 Prozent. Auch der Flächenfußabdruck lässt sich deutlich verringern: um 46 Prozent mit vegetarischer Ernährung und um 49 Prozent mit veganer Ernährung.

Aber auch eine Ernährung mit geringeren Mengen tierischer Lebensmittel trägt zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bei. Beispielsweise kann eine Ernährung nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) mit rund 31 Kilogramm Fleisch pro Jahr, also rund 40 Prozent weniger als die derzeitige Durchschnittsmenge, zur Reduktion der Treibhausgasemissionen durch Ernährung um 9 bis 19 Prozent führen (Umweltbundesamt 2021).


Agrarfläche reicht nicht für unseren Lebensmittelkonsum

Etwa die Hälfte der Landfläche Deutschlands wird landwirtschaftlich genutzt. Dennoch importieren wir große Mengen an Lebensmitteln und belegen Ackerflächen weltweit. Doch woran liegt das? Laut Umweltbundesamt (2021) sind die Ursachen vielfältig:

  1. Ein Teil unserer Lebensmittel wird aufgrund klimatischer Bedingungen nicht in Deutschland angebaut. Doch was vielen nicht bewusst ist: unser Konsum von Kakao, Kaffee, Tee und Gewürzen benötigt 203 m2 pro Kopf (2016), also fast ein Viertel der notwendigen Fläche für pflanzliche Nahrungsmittel. Zum Vergleich: Der Konsum von Reis beansprucht pro Kopf 14 m2 jährlich.
  2. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche Deutschlands betrug 2016 etwa 16,7 Millionen Hektar. Der Großteil davon wird für den Anbau von Futtermitteln für Rinder, Schweine und Geflügel benutzt (2016: 57 %) – sowohl für unseren eigenen Verbrauch an Fleisch und Milch als auch für den Export, zum Beispiel von Schweinefleisch nach China. Lediglich ein Viertel der Landwirtschaftsfläche in Deutschland wurde 2016 für pflanzliche Nahrungsmittel verwendet.
  3. Unsere Felder werden mehr und mehr für die Energiegewinnung genutzt. Zwischen 2008 und 2016 ist die landwirtschaftlich genutzte Fläche für Biosprit und Biogas um mehr als 50 Prozent gestiegen. Zu erkennen ist das an ausgedehnten Raps- und Maisfeldern, die zusätzlich benötigte Anbaufläche für den Anbau von Nahrung und von Futtermitteln verdrängen. Doch selbst wenn wir die aktuell landwirtschaftlich genutzte Fläche Deutschlands von 16,7 Millionen Hektar nur für den Anbau unserer eigenen Nahrung nutzten, würde es rechnerisch nicht reichen. Denn die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen benötigen jährlich etwa 18,3 Millionen Hektar. Davon entfallen 7,1 Millionen Hektar auf den Anbau pflanzlicher Lebensmittel und 11,2 Millionen Hektar auf den Anbau von Futtermitteln für unseren Konsum tierischer Nahrungsmittel.

Die Planetary Health Diet – das steckt dahinter

Der von der EAT-Lancet-Kommission erarbeitete Speiseplan besteht größtenteils aus Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, Nüssen und ungesättigten Fetten, ergänzt durch moderate Mengen an Fisch und Meeresfrüchten sowie Geflügel. Stärkereiche Gemüsearten wie Kartoffeln und Maniok, Milchprodukte, rotes Fleisch, Zucker und gesättigte Fette sollten nach Ansicht der Wissenschaftler eine untergeordnete Rolle spielen. Für die verschiedenen Lebensmittelgruppen gibt es spezifische Empfehlungen hinsichtlich der optimalen Verzehrsmengen (EAT-Lancet-Comission 2019). Damit ist die Planetary Health Diet der erste wissenschaftlich entwickelte Ernährungsplan, der konkrete Zahlen zu einer möglichen globalen Referenzernährung liefert (Breidenassel et al. 2022).

Die Grafik zeigt mit Bildern und Prozentangaben, welchen Anteil welche Lebensmittelgruppen (Gemüse, Fleisch etc.) an der Ernährung haben sollten. Zudem wird die ideale Eiweißkombination aus viel Hülsenfrüchten, viel Nüssen, Milchprodukten und wenig Fleisch angezeigt.
Die Ernährungsempfehlung der EAT-Lancet-Kommission und ihr Vorschlag, wie der Proteinbedarf künftig gedeckt werden soll (eigene Darstellung).

Auf einen Blick: Die Planetary Health Diet – viel mehr als ein Speiseplan

  • Mindestens 50 Prozent mehr Obst und Gemüse
  • Fisch aus Aquakultur
  • Ein Vielfaches mehr an Nüssen und Hülsenfrüchten wie Linsen oder Bohnen
  • Etwa 75 Prozent weniger Fleisch
  • 50 Prozent weniger Lebensmittelabfälle

Wie gesund ist die Planetary Health Diet?

Um den Planeten nachhaltig zu schützen, haben die Wissenschaftler der EAT-Lancet-Kommission die tägliche Energiezufuhr auf 2.500 kcal angesetzt. Demnach stünden jedem Menschen pro Tag beispielsweise ein Viertelliter Milch, 50 Gramm Bohnen oder Linsen, 300 g Gemüse, alle fünf Tage ein Ei, 230 Gramm Getreide, 200 Gramm Obst sowie 200 Gramm verschiedene Fleischsorten und Fisch zur Verfügung. Das klingt wenig, entspricht aber, laut der EAT-Lancet-Kommission, dem durchschnittlichen Energiebedarf eines 70 kg schweren, 30-jährigen Mannes oder einer 60 kg schweren, 30-jährigen Frau bei einer moderaten bis hohen körperlichen Aktivität.

Die tatsächliche Energiezufuhr soll jedoch individuell an verschiedene Faktoren wie Alter, Körpergewicht und Aktivitätsniveau angepasst werden (Willett et al. 2019). Besonders in Industrieländern mit einem signifikanten Anteil an Übergewicht und Adipositas in der Bevölkerung wird der hohe Energiegehalt der Planetary Health Diet kritisch betrachtet. Andererseits könnte eine Reduktion des Energiegehalts dazu führen, dass die Menge der konsumierten Lebensmittel angepasst werden müsste, was eine ausreichende Versorgung mit allen essenziellen Nährstoffen gefährden könnte (Breidenassel et al. 2022).

Selbst bei Zugrundelegung der höheren Energiezufuhr wird in der Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zur Einordnung der Planetary Health Diet die tatsächliche Nährstoffversorgung mit bestimmten Vitaminen und Mineralstoffen infrage gestellt. Schließlich liefert die in der Planetary Health Diet angegebene mittlere Menge von 250 g Milch etwa 300 mg Calcium. Mit der zusätzlichen Zufuhr aus pflanzlichen Lebensmitteln kommt man auf insgesamt etwa 700 mg Calcium pro Tag. Das ist deutlich weniger als der von der DGE und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Tagesbedarf von 1.000 mg. Besonders kritisch ist dies für Kinder und Jugendliche, die zum Aufbau einer optimalen Knochendichte zur Prävention von Knochenbrüchen und Osteoporose im Alter einen höheren Calciumbedarf haben als Erwachsene.

Dennoch zeigt der Vergleich, dass die Kernaussagen in den Ernährungsempfehlungen der Planetary Health Diet und der DGE miteinander vereinbar sind (Breidenassel et al. 2022). Beal et al. stellten allerdings fest, dass die Versorgung mit Mikronährstoffen wie Calcium, Zink, Eisen und Vitamin B12, für die tierische Lebensmittel eine gute Quelle sind, bei der Planetary Health Diet nicht gewährleistet werden können und empfehlen, den Anteil tierischer Lebensmittel zu erhöhen (Beal et al. 2023).

Weitere Studien unterstreichen, dass nicht nur Klima und Umwelt von einer pflanzlich betonten Kost wie der Planetary Health Diet profitieren, sondern auch die Gesundheit. So wurde anhand der schwedischen Malmö-Kohorte gezeigt, dass ein höherer Verzehr an Gemüse, Obst und Vollkornprodukten mit einer geringeren Gesamtsterblichkeit einhergeht (Stubbendorff et al. 2022).

Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine Auswertung von Daten aus der EPIC-Kohorte: Hier korrelierten die Treibhausgasemissionen aus der Ernährung und die Anteile der Landnutzung positiv mit der Mortalität (Laine et al. 2021; Hong et al. 2022). Diejenigen mit dem höchsten Ausstoß von Treibhausgasen hatten ein 20 Prozent höheres Risiko, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, und ein um 16 Prozent gesteigertes Risiko, an Krebs zu sterben (Groeneveld 2022). Laine et al. errechneten anhand von Modellen, dass eine Ernährung nach der Planetary Health Diet über einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren potenziell zwischen 19 und 63 Prozent vorzeitiger Todesfälle und 10 bis 39 Prozent aller Krebserkrankungen vermeiden könnte (Laine et al. 2021).

Ernährungswende? Was die Wissenschaft empfiehlt und wie die Realität aussieht (zur Infografik in voller Größe)


Kritiker sehen Knackpunkte bei der Umsetzung der Klimaernährung

Doch wie lässt sich solch ein planetarischer Speiseplan in der Praxis umsetzen? Schließlich sind die physiologischen und moralischen Intoleranzen beim Essen gewachsen. Um dies herauszufinden, wurde in einer Forschungsarbeit im Rahmen einer Umfrage untersucht, welche Möglichkeiten und Grenzen bei der Umstellung auf eine Ernährung nach den Empfehlungen der EAT-Lancet-Kommission bestehen (Schöpper 2022).

Die Befragten stellten eine starke Einschränkung durch eine geringe Flexibilität und Spontanität im Alltag und im sozialen Umfeld fest. Dies war durch einen erhöhten Aufwand beim Einkaufen und Kochen, durch notwendiges Vorausplanen und ein geringeres gastronomisches Angebot begründet. Demnach kann die Planetary Health Diet als gute Orientierungshilfe dienen, um Umweltbelastungen zu reduzieren und die Gesundheit zu verbessern. Die praktische Umsetzung im Alltag unterliegt jedoch gewissen Einschränkungen.

Einfluss von Gewohnheiten, Vorlieben und sozialen Erwartungen auf die Planetary Health Diet

Um eine höhere Akzeptanz der Planetary Health Diet in der Gesellschaft zu erzielen, erfordert es Anpassungen und Kompromisse (Schöpper 2022). Beispiele wie die Einführung pflanzlicher Mahlzeiten in Schulen und „Fleischfreie Montage“ in Krankenhäusern und gastronomischen Einrichtungen in New York City zeigen, wie die Gesellschaft für eine nachhaltigere Ernährung sensibilisiert werden kann. Auch die Förderung von Ernährungsbildung und -aufklärung, um Menschen dabei zu unterstützen, informierte Entscheidungen zu treffen, ist wichtig (Shah/Merlo 2023).

Darüber hinaus gibt es global gesehen weitere Einschränkungen für die Umsetzbarkeit der Planetary Health Diet. So werden die Kosten insbesondere für Personen mit geringem Einkommen bzw. aus einkommensschwachen Ländern als zu hoch erachtet (Hirvonen et al. 2019). Außerdem bleiben nationale Unterschiede in Bezug auf die naturbedingten Produktionsmöglichkeiten für Lebensmittel unberücksichtigt: Die Umsetzung der Ernährungsempfehlungen würde viele Länder, deren Landflächen zur landwirtschaftlichen Produktion nicht geeignet sind bzw. die mehr Landfläche benötigen würden, stärker von Importen abhängig machen (Thorkildsen/Reksnes 2020).

In schwach und mittel entwickelten Ländern kann eine pflanzenbetonte Ernährung, wie sie in der Planetary Health Diet empfohlen wird, zudem einen Nährstoffmangel begünstigen. Aus diesem Grund ist der Verzehr tierischer Lebensmittel durchaus empfehlenswert, obwohl er mit einem größeren ökologischen Fußabdruck einhergehen kann (Fanzo et al. 2021). Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Menschen vor dem Hintergrund vielfältiger, regional und kulturell unterschiedlicher Esstraditionen und Umweltbedingungen ihre Essmuster überhaupt so radikal verändern können, dass sie den Empfehlungen der Planetary Health Diet entsprechen (BZfE 2020).


Fazit

Die EAT-Lancet-Kommission hat mit der Konzeption der Planetary Health Diet einen bedeutenden Schritt unternommen, um einen globalen Ernährungsrahmen zu definieren, der sowohl gesundheitliche als auch ökologische Aspekte berücksichtigt. Die von den Wissenschaftlern entwickelten Empfehlungen können eine wichtige Grundlage sein, um einen globalen Ernährungswandel voranzutreiben. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) kritisiert allerdings die mangelnde Transparenz der angewandten Methodik. Und auch individuelle Bedürfnisse und kulturelle Unterschiede werden nach Ansicht der DGE vernachlässigt (Breidenassel et al. 2022).

So können die Empfehlungen lediglich als Orientierung dienen, da sowohl die tägliche Kalorienzufuhr wie auch die Zusammensetzung der Lebensmittel in den verschiedenen Ländern dieser Erde stark voneinander abweichen. Eine globale Halbierung des Verzehrs von rotem Fleisch würde zum Beispiel für Nordamerika bedeuten, dass nur noch etwa ein Siebtel der heute üblichen Menge verzehrt werden dürfte. Und in afrikanischen Ländern wird heute ein Siebenfaches der empfohlenen Menge an stärkereichen Pflanzen konsumiert.

Hier stellt sich also die Frage, ob Menschen ihre Ernährungsgewohnheiten so radikal verändern können, dass sie den Vorgaben der „Planetary Health Diet“ entsprechen. Auch andere Autoren betonen, dass weiterhin viele Wissenslücken über den Zusammenhang zwischen Umweltfaktoren, Ernährungssystemen und Empfehlungen für Lebensmittel und Ernährungsweisen bestehen (O’Neill et al. 2020, Fanzo et al. 2021).

Ungeachtet der Kritik liefert die Planetary Health Diet wertvolle Empfehlungen für eine nachhaltige und gesunde Ernährung, die die planetaren Grenzen respektiert und die Umwelt schützt. Um diese Herkulesaufgabe zu bewerkstelligen, braucht es den festen Willen und ein Zusammenspiel aller Akteure aus dem Bereich der Ernährung, um Konsumentinnen und Konsumenten auf den Geschmack neuer, klimafreundlicher Lebensmittel zu bringen.

Text: KErn / Melanie Kirk-Mechtel

Mehr zur Planetary Health Diet

Nachweise

Beal et al. (2023): Estimated micronutrient shortfalls of the EAT–Lancet planetary health diet. Lancet Planetary Health 7(3):E233–E237

Breidenassel et al. (2022): Einordnung der Planetary Health Diet anhand einer Gegenüberstellung mit den lebensmittelbezogenen Ernährungsempfehlungen der DGE. Ernährungs Umschau Int 5/2022:M252–M268

BZfE – Bundeszentrum für Ernährung (2020): Planetary Health Diet – Strategie für eine gesunde und nachhaltige Ernährung

Crippa et al. (2021): Food systems are responsible for a third of global anthropogenic GHG emissions. Nat Food 2:198–209

EAT-Lancet Comission (2019): Food, Planet, Health. Healthy Diets from sustainable food systems. Summary Report of the EAT-Lancet Commission

EU-Kommission: European Platform on LCA/EPLCA

Fanzo et al. (2021): The importance of food systems and the environment for nutrition. Am J Clin Nutr 113(1):7–16

FAO – Food and Agriculture Organization of the United Nations (2023): Pathways towards lower emissions

Groeneveld (2022): Kommentar zu „Einhaltung der „EAT-Lancet Diet“ senkt Mortalität“. Aktuel Ernahrungsmed 47(5):354–355

Hirvonen et al. (2019): Affordability of the EAT-Lancet reference diet: a global analysis. Lancet Glob Health 8:e59266

Hong et al. (2022): Associations of daily diet-related greenhouse gas emissions with the incidence and mortality of chronic diseases: a systematic review and meta-analysis of epidemiological studies. Epidemiol Health 43:e2023011

Laine et al. (2021): Co-benefits from sustainable dietary shifts for population and environmental health: an assessment from a large European cohort study. Lancet Planetary Health 5(11):E786–E796

O’Neill et al. (2020): Achievements and needs for the climate change scenario framework. Nat Clim Change (10):1074–1084

Rockström et al. (2009): A safe operating space for humanity. Nature 461:472–475

Schmidt et al. (2019): Wege zur Reduzierung von Lebensmittelabfällen – Pathways to reduce food waste (REFOWAS). Johann Heinrich von Thünen-Institut 73(1)

Schöpper LM (2022): Treiber und Hindernisse der Planetary Health Diet: eine qualitative Untersuchung zur Einführung und Umsetzbarkeit einer nachhaltigen Ernährungsform in Deutschland. Bachelorarbeit, HAW Hamburg

Shah UA, Merlo G (2023): Personal and planetary health – the connection with dietary choices. JAMA 329(21):1823–1824

Springmann et al. (2017): Mitigation potential and global health impacts from emissions pricing of food commodities. Nat Clim Change (7):69–74

Stubbendorff et al. (2022): Development of an EAT-Lancet index and its relation to mortality in a Swedish population. AJCN 115(3):705–716

Thorkildsen T, Reksnes DH (2020): The proof is not in the EATing. EuroChoices 19(1):11–16

Umweltbundesamt (2021): Von der Welt auf den Teller

Whitmee et al. (2015): Safeguarding human health in the Anthropocene epoch: report of The Rockefeller Foundation–Lancet Commission on planetary health. Lancet 386(10007):1973–2028

Willett et al. (2019): Food in the Anthropocene: the EAT-Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. Lancet 393(1070):447–492

WWF Deutschland (2022). Ernährung und biologische Vielfalt. So schmeckt Zukunft: der kulinarische Kompass für eine gesunde Erde

WWF Deutschland (2021). Wasserverbrauch und Wasserknappheit. So schmeckt Zukunft: der kulinarische Kompass für eine gesunde Erde

Titelbild: smolaw11/stock.adobe.com


Stand: Januar 2024

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