Gemüse in einer Reihe mit spezieller Form, wie die Herzkartoffel oder die Tomate mit Horn, auf einem himmelblauen Hintergrund.

Mehr Wissen zum Thema Lebensmittelverschwendung

Definitionen, Zahlen und Fakten rund um das Thema Lebensmittelverschwendung gibt es im Forschungsstand. Hier geht es um Kreislaufwirtschaft, Food Upcycling und positive Beispiele, was gegen die Verschwendung von Lebensmitteln auf verschiedenen Ebenen getan werden kann.

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Inhalt


Kreislaufwirtschaft im Ernährungssystem. Ein Konzept mit Zukunft?

Definition und Grundlagen

Das Modell der Kreislaufwirtschaft beschreibt ein zirkuläres System: Entstandene Abfälle stehen darin beispielsweise nicht am Ende eines Produktionsprozesses, sondern werden zu Ressourcen für neue Prozesse. Idealerweise entsteht ein geschlossener Kreislauf ohne oder mit minimalen Rohstoffverlusten. Umweltbelastungen durch Abfälle werden verringert und weniger Ressourcen verbraucht. Zudem sollten Produkte möglichst lange genutzt, wiederverwendet oder repariert werden. Damit bildet die Kreislaufwirtschaft ein Gegenmodell zur klassischen „Wegwerfwirtschaft“, deren Fokus für gewöhnlich auf Kostenminimierung und Gewinnmaximierung liegt (Müller 2020, Europäisches Parlament 2023).

Anwendung im Ernährungssystem

Das Ernährungssystem ist weit entfernt von einem geschlossenem Kreislaufsystem, wie die Zahlen zu Lebensmittelverlusten und -abfällen zeigen. Die Kreislaufwirtschaft ist eine mögliche Strategie, um diese Zahlen deutlich zu reduzieren und die UN Sustainable Development Goals, SDGs, zu erfüllen. Dafür sollten auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette Circular-Economy-Modelle etabliert werden (Esposito et al. 2020).

Konkret sollen im zirkulären Ernährungssystem möglichst wenig Lebensmittelabfälle produziert und Nahrungsmittelressourcen effizient genutzt werden. Nebenprodukte werden in neue Produktionsprozesse integriert und unvermeidbare Abfälle in Stoffkreisläufe zurückgeführt (EIT Food, De Bernardi et al. 2022). Für den menschlichen Verzehr ungeeignete Zutaten wie beschädigte Lebensmittel, Nebenprodukte und Reste aus der Lebensmittelzubereitung werden durch Upcycling in die Wertschöpfungskette eingebunden.

Die Grafik zeigt auf, wie Lebensmittelabfälle noch genutzt werden können: Als Futter für Tiere, Kompost, Biogasanlage etc.
Was tun mit Lebensmittelabfällen? Von Vermeiden und Weitergeben über Tierfutter bis zur Biogasanlage. Erstellt von Anke Hilla.

Mithilfe sogenannter Hierarchie-Modelle können Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung priorisiert werden. Die Stufen der Skala heben verschiedene Wege zur Vermeidung oder Bewältigung von Lebensmittelverschwendung hervor, geordnet von der am meisten bis zur am wenigsten bevorzugten Stufe (EPA 2023). Die Lösungen mit der höchsten Priorität (Vermeidung von Lebensmittelverschwendung, Lebensmittelspenden) bieten den größten Nutzen für die Umwelt und die Kreislaufwirtschaft. Sie legen den Schwerpunkt auf die Verwendung von Lebensmitteln für ihren eigentlichen Zweck: Die Ernährung der Menschen. Die Wege mit geringer Priorität (Deponierung, Verbrennung und Entsorgung von Lebensmitteln über das Abwassersystem) haben die größten Auswirkungen auf die Umwelt und bieten nur ein begrenztes Potenzial für Kreislaufwirtschaft (EPA 2023).


Food Upcycling

Im Zusammenhang mit Kreislaufwirtschaft im Ernährungssystem fällt häufig der Begriff „Food-Upcycling“. Upcycling ist eine Aufwertung des ursprünglichen Produkts bzw. bestimmter Teile davon, sodass sie einem neuen Zweck zugeführt werden. Für Lebensmittel-Upcycling werden Zutaten verwendet, die andernfalls nicht für den menschlichen Verzehr geeignet wären, beispielsweise beschädigte Lebensmittel, Nebenprodukte und Reste aus der Lebensmittelzubereitung (The Upcycled Foods Definition Task Force 2020). Auch wenn Upcycling oft als „Trend-Thema“ bezeichnet wird, handelt es sich im Grunde um eine bewährte Herangehensweise aus Zeiten des Lebensmittelmangels: Möglichst alles nutzen, was man hat.

Zur Abgrenzung: Recycling gilt als „industrieller Prozess, bei dem die Rohstoffe eines Produktes für die Wiederverwertung aufbereitet werden“ (Verbraucherzentrale 2022). Im Fall von Lebensmitteln ist das meist die Verwertung in Kompostieranlagen.

Idealerweise wird eine Zutat für den menschlichen Verzehr aufgewertet, doch auch die Entwicklung von nicht essbaren Produkten ist erstrebenswert. Rao et al. (2021) entwickelten einen „Decision Tree“, um festzustellen, ob die Aufwertung einen Lebensmittelnebenprodukts empfehlenswert ist. Für die United States Environmental Protection Agency (EPA) hat Upcycling die gleiche Priorität wie Lebensmittelspenden (EPA 2023), während es in der EU aktuell nach der Wiederverwendung als Tierfutter angesiedelt ist (EU 2020).

Vor- und Nachteile von Upcycled Food Products

Upcycled Food Products bieten viele Vorteile, die über die Nachhaltigkeitseffekte der Verringerung der Lebensmittelverschwendung hinausgehen. So kann Upcycling eine zusätzliche Einnahmequelle für Unternehmen darstellen. Unter Umständen kann es die Nährstoffzusammensetzung der Endprodukte sogar verbessern, wenn beispielsweise in Backwaren Sonnenblumenmehl aus der Ölherstellung oder Traubentrester als Weinnebenprodukt eingesetzt werden. Allerdings handelt es sich dabei in der Regel um hochverarbeitete Lebensmittel, die durchaus umstritten sind (Thorsen 2022).

Je nach Produktkategorie ist Food-Upcycling mit Risiken und Herausforderungen verbunden: Ein hoher Feuchtigkeitsgehalt kann zu einer kurzen Haltbarkeit führen, auch mikrobielle Faktoren, Pestizidbelastungen und Toxine können Probleme darstellen. Bislang fehlen umfassende Studien zur Bewertung der Lebensmittelsicherheit, da das Thema kommerziell noch nicht im Fokus steht. Zudem berücksichtigen die aktuellen Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit die Nebenprodukte der Lebensmittelverarbeitung nicht ausreichend (Rao et al. 2021).

Food-Upcycling kann auch zuhause betrieben werden: Dies wird auch häufig als Zero-Waste-Küche bezeichnet. Das Bundeszentrum für Ernährung informiert hier beispielsweise über die Vorteile und Risiken und stellt einige Rezepte bereit.


Best Practices entlang der Wertschöpfungskette

Auf bayerischer Ebene hat sich das Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) des Themas angenommen und auf allen Stufen der Wertschöpfungskette nach Vorbildern in Sachen Lebensmittelrettung und -wertschätzung gesucht. Darüber hinaus stellt es Materialien zur Verfügung, die bei der Lebensmittelrettung unterstützen können:

Alle Ebenen:
Podcast Gemeinsam. Lebensmittel. Feiern. Vom Feld bis auf den Teller, mit Brigitte Theile.
Videoreihe:„Oberfranken rettet Lebensmittel“, von Station 1: Landwirtschaft bis zu Station 5: Privathaushalt
Außer-Haus-Verpflegung / Gemeinschaftsverpflegung:Nudging-Projekt des KErn
Privathaushalte
Lebensmittel-Retterbox des KErn
Reste-Rezepte
Alle Projekte des KErn zur Lebensmittelwertschätzung

Der Bürgerrat für Ernährung fordert, die Weitergabe noch genießbarer Lebensmittel gesetzlich zu regeln. Zu diesem Thema gab es am 23. September 2024 ein öffentliches Fachgespräch im Deutschen Bundestag. Video und weitere Informationen

Mehr rund um Lebensmittelverschwendung

Nachweise

De Bernardi et al. (2022): Circularity of food systems: a review and research agenda. BFJ 125(3):1094–1129

EIT Food: Circular Food Systems – Transitioning to a circular economy

Ellen MacArthur Foundation (2015): Growth within: A circular economy vision for a competitive Europe

EPA – United States Environmental Protection Agency (2023): Sustainable Management of Food – Wasted Food Scale

Esposito et al. (2020): Towards Circular Economy in the Agri-Food Sector. A Systematic Literature Review. Sustainability 12(8):7401

EU – European Union (2020): Brief on food waste in the European Union

Europäisches Parlament (2023): Kreislaufwirtschaft: Definition und Vorteile

Müller et al. (2020): Leitsätze einer Kreislaufwirtschaft. Umweltbundesamt

Rao et al. (2021): Valorized food processing by-products in the EU: finding the balance between safety, nutrition, and sustainability. Sustainability 13(8):4428

Thorsen et al. (2022): Upcycled foods: A nudge toward nutrition. Front Nutr 9:1071829

The Upcycled Foods Definition Task Force (2020): Defining Upcycled Foods

Umweltbundesamt (2023): Abfall- und Kreislaufwirtschaft

Upcycled Certified Standards Committee (2022): Upcycled Certified Standard. Version 2

Verbraucherzentrale (2022): Was ist Upcycling? Und wann ist es sinnvoll?

Titelbild: senatamaka.panthermedia.net


Stand: September 2024

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